Was führt zwei Menschen zueinander? Ist es die Art zu leben, wie man über die Gesellschaft denkt, gleiche Interessen? Bei Melissa und Matthias ist es auf jeden Fall auch die Liebe zum Beruf. Die beiden arbeiten bei den Mobilen Diensten Leibnitz Süd - und sie sind auch privat ein Team. Wir haben uns mit ihnen unterhalten – über die Vorzüge der mobilen Pflege, das Ankommen im Beruf und was für sie „das wahre Leben“ ist.
Wir befinden uns an eurem Arbeitsplatz – den Mobilen Diensten Leibnitz Süd. Wie seid ihr hierhergekommen? Was hat euch in die Pflege bzw. zum Hilfswerk geführt?
Matthias: Ich bin gebürtiger Salzburger, in einem Krankenhaus in Pongau habe ich meinen Zivildienst gemacht. Für mich war schnell klar, das taugt mir. Deshalb habe ich dann auch mein Diplom angeschlossen. Und weil im Lungau eh nie was los ist, bin ich nach Graz, habe in einem Pflegeheim zu arbeiten begonnen – und Melissa kennengelernt.
Ich wollte dann aber meine Berufsreifeprüfung nachholen und habe etwas Geringfügiges gesucht. Bei einer Radtour bin ich hier beim Hilfswerk vorbei und hab mir gleich gedacht, ich ruf an, ob sie mich geringfügig einstellen. Frau Zwetti (Anm. Einsatzleiterin der MD Leibnitz Süd) hat mir zugesagt und nach der Berufsreife wollte ich dann auch gleich hierbleiben.
Melissa: Ich wollte als Kind immer Krankenschwester werden. Nach der Hauptschule habe ich die Fachschule für Sozialberufe besucht, als Pflegehelferin abgeschlossen, eine Ausbildung zur Fachsozialbetreuerin gemacht und im Pflegeheim begonnen. Matthias hat mich dann auf das Hilfswerk gebracht und nachdem ich hier geschnuppert habe, habe ich auch gemerkt: Das passt.
Ihr habt euch im Pflegeheim kennengelernt und seid von dort zum Hilfswerk gewechselt. Ihr seid also nicht nur ein Paar sondern auch schon lange Arbeitskollegen. Wie ist das, wenn der Partner/die Partnerin im gleichen Unternehmen ist?
Melissa: Jetzt im Mobilen Dienst arbeiten wir ja nicht direkt zusammen, sehen uns dadurch auch nicht viel öfter als andere Paare. Und wir reden auch nicht ständig über die Arbeit.
Matthias: Das wollen wir auch nicht, man braucht auch mal Zeit abzuschalten. Ausnahme sind Gespräche zur eigenen Psychohygiene. Es ist jetzt aber nicht so, dass wir privat zuhause Dienstübergaben machen.
Melissa: Ich muss auch sagen, es wird von den Kundinnen und Kunden positiv aufgenommen. Wenn wir gleiche Kundinnen und Kunden haben, sprechen sie uns schon manchmal darauf an.
Also wissen auch die Kundinnen und Kunden, dass ihr ein Paar seid?
Matthias: Naja, da im ländlichen Raum spricht sich das schnell herum. Grundsätzlich war unsere Beziehung aber nie ein Thema in der Arbeit. Und es wird von den Kolleginnen und Kollegen im Hilfswerk auch einfach authentisch angenommen, so wie es ist.
Was die Lebensqualität betrifft, ist die Arbeit beim Hilfswerk für mich eine Steigerung um 100 %.
Wie verbringt ihr euren gemeinsamen Alltag? Wie schaltet ihr ab?
Melissa: Schlafen!
Matthias: Ich gehe gern. Spazieren und wandern. Beim Gehen kann man verarbeiten. Wenn man beispielsweise eine lange Palliativbetreuung hat, muss man das schon irgendwie ausgleichen.
Melissa: Sonst ist es zurzeit schwieriger, weil man wegen Corona nicht viel darf. Wir sind sonst auch gern mal ins Fußballstadion gegangen, oder in die Therme.
Matthias: Genau. Du hast doch fünf Tage die Woche Krankheit und Pflege. Am Wochenende ist es dann eine andere Welt, und wenn‘s nur ein Sturm-Spiel ist, das dich ablenkt. Das fehlt gerade schon, aber da geht es ja allen gleich.
Melissa: Ich muss aber schon allgemein sagen – seit ich beim Hilfswerk bin ist die Lebensqualität viel besser geworden. Ich arbeite 75% und bin immer zwischen 13.00 und 14.00 Uhr daheim. Ich habe Zeit, was Frisches zu kochen oder den Haushalt zu machen. Das konnte ich früher nur als ich frei hatte, weil die Arbeitszeiten das unter der Woche gar nicht zugelassen haben. Da arbeitest du 12 Stunden, kommst um 8 heim, da stellt man sich dann nicht mehr in die Küche. Was die Lebensqualität betrifft, ist das für mich eine Steigerung um 100 %.
Also die Arbeitszeiten sind ein großes Plus?
Melissa: Ja. Früher habe ich wirklich bis Mittag geschlafen, wenn ich frei hatte, weil ich überhaupt keinen Rhythmus hatte. Du hast zwei Nächte, dann drei Tagdienste, dann wieder eine Nacht… Jetzt bin ich das Aufstehen in der Früh schon gewohnt, weil ich es eben regelmäßig mache.
Matthias: Und man muss schon auch sagen, das Hilfswerk ist ein sehr familienfreundlicher Arbeitgeber.
Melissa: Genau. Wenn man Kinder hat, kann man sich das mit der Einsatzleitung auch ausreden, dass man später startet, um die Kinder noch in den Kindergarten oder die Schule zu bringen. Ich habe schon drei Freundinnen zum Hilfswerk gebracht, eine davon hat eine Tochter, sie kann ihr Kind jeden Tag in die Krippe bringen und wieder abholen.
Du hast auch schon Freundinnen vom Hilfswerk überzeugt?
Melissa: Ja. Wir suchen gerade wieder einen neuen Mitarbeiter, aber leider habe ich die Ressourcen in meinem Umfeld jetzt schon verbraucht. ;)
Matthias: Die mobile Pflege ist ein bisschen geschützt unter dem Radar. Daran denkt keiner in der Ausbildung, in der Diplomklasse war das fast ein bisschen uncool. Und dann kommst du da her und es ist einfach so ein super Job.
Melissa: Es wird auch in den Medien so wenig drüber gesprochen. Viele wissen einfach nicht, wie klass das Arbeiten hier ist. Ich habe früher auch nur an die Langzeitpflege gedacht war mir sicher, das ist meins. Aber irgendwann denkt man um, man muss dann auch an die Gesundheit denken. Ich war mit 22 Jahren kurz vor einem Bandscheibenvorfall, war psychisch angeschlagen. Dann habe ich für mich entschieden, ich muss woanders hin. Mit nächstem Jahr bin ich fast 10 Jahre in der Pflege. Und seit ich beim Hilfswerk bin, kann ich wirklich sagen „Ich bin angekommen“.
Schön zu hören. Ihr wart ja beide zuvor in der stationären Langzeitpflege tätig. Welche Unterschiede gibt es noch zur Arbeit im Mobilen Dienst?
Matthias: So viele. Der Hauptgrund warum wir beide gegangen sind, war der zunehmende Stress. Für mich hat die Arbeit nicht mit dem Berufsbild zusammengepasst. Du hast so wenig Zeit, kannst mit den Leuten gar nicht reden. Beim Hilfswerk habe ich bemerkt: Du hast da wirklich Zeit. Du arbeitest mit Qualität, kannst dir persönliche Geschichten anhören und bist nicht nur auf pflegerischer, sondern auch auf menschlicher Ebene für die Leute da.
Melissa: Im Heim gibt’s auch Nachtdienste, dann wieder Tagdienste – was für mich persönlich sehr mühsam war, ich habe keinen Rhythmus gehabt. Teilweise werden Dienste nicht nachbesetzt, weil das Personal dafür fehlt, dann musst du für zwei arbeiten. Jetzt im Hilfswerk hast du wirklich Zeit für die Pflege. Das war mir immer wichtig, für das bin ich da. Das ist ja mein Beruf!
Matthias: Im Mobilen Dienst kriegst du einfach das komplette Gegenteil: Zeit, Respekt, super Dienstzeiten. Als DGKP arbeite ich Montag bis Freitag und mache einen Samstag im Monat. Früher hatte ich einen ganzen Monat lang kein Wochenende frei. Mir macht auch das Autofahren Spaß. Du siehst die Gegend, lernst die Umgebung viel besser kennen.
Die mobile Pflege ist ein bisschen geschützt unter dem Radar. Daran denkst du nicht in der Ausbildung.
Im Mobilen Dienst ist man viel unterwegs, handelt und entscheidet selbstständig. Wie geht es euch mit dieser Arbeitsweise?
Melissa: Ich habe durch meine Arbeit im Pflegeheim schon viel gelernt und Erfahrungswerte gesammelt. Deshalb kann ich Entscheidungen mittlerweile sehr gut selbst treffen. Natürlich gibt es Themen, die muss sich ein DGKP anschauen, weil das einfach vom Berufsbild her nicht meine Aufgabe ist.
Matthias: Verantwortung übernehmen musst du immer, aber stationärer und Mobiler Dienst ist eine andere Art von Verantwortung. In einem Pflegeheim hat man die Kollegschaft oder Ärztinnen und Ärzte parat, jetzt ist schon mehr Eigenständigkeit gefragt. Die Kundinnen und Kunden verlassen sich auf mich, im Heim war es eher ärztliches Fachpersonal, das sowieso dieVisite macht und immer präsent ist. Jetzt entscheiden wir ob und wann die*der Hausärztin*Hausarzt gebraucht wird.
Habt ihr ein Motto oder einen Leitsatz, nach dem ihr lebt?
Matthias: Ich lebe nach dem Motto „Nichts ist unlösbar“. Egal was kommt, die Welt dreht sich immer weiter. Du musst nur das Beste draus machen. Ich bin allgemein sehr lösungsorientiert.
Melissa: Das kann ich bestätigen! Ich habe kein direktes Motto, nach dem ich lebe, aber ich glaube an Karma. Tut man Gutes, widerfährt einem Gutes.
Ist das auch der Grund, warum du in der Pflege arbeitest?
Melissa: Nein. Meinen Job mache ich, weil ich ihn wirklich gerne mache. Wenn ich darüber nachdenke, welche andere Arbeit es gibt – ich wüsste gar nicht was ich anderes tun sollte.
Matthias: Pflege ist einfach so was Authentisches, so was Echtes.
Inwiefern?
Matthias: Ich rede oft mit Freunden, die als Elektriker oder im Management arbeiten, die sagen mir, nur ich habe mit dem wahren Leben zu tun. Gesundheit, Krankheit, Schicksalsschläge, das ist einfach wirklich da. Das kann jeden treffen vom Hofrat bis zum Bauarbeiter. Und wenn du dann als Pfleger bei den Leuten daheim bist, offenbaren sie sich dir wirklich, weil du ihnen hilfst. Du spürst da die echte, wirkliche Dankbarkeit. Das taugt mir so.
Schöne Abschlussworte. Vielen Dank, dass ihr eure Ansichten mit uns geteilt habt!
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