In einem Pflegeberuf müsste der Alltag doch ernst sein: Krankheit und Beschwerden begleiten den Tagesablauf. Ist Spaß da nicht unangebracht? Ganz im Gegenteil: Gerade das gemeinsame Lachen, ein lockerer Umgang und viel Gelassenheit sind notwendig, damit Kundinnen und Kunden sich wohlfühlen.
"Im Grunde sind wir Comedians mit einer pflegerischen Fachausbildung." sagt Michael, Pflegeassistent bei den Mobilen Diensten Kainbach-Graz des Hilfswerks. Ohne Humor läuft bei ihm nichts. Der 59-Jährige arbeitete früher als Künstler, merkte aber, dass es zunehmend schwieriger wurde, damit Geld zu verdienen. Also suchte er sich einen Beruf, der ihm Freude macht. Zu seiner damaligen Einsatzleitung sagte er schon zu Beginn: „Wenn es mir irgendwann keinen Spaß mehr macht, gehe ich.“ Mittlerweile ist er in seinem 20. Dienstjahr.
Humor, Gelassenheit und Anpassungsfähigkeit sind für ihn im Job das Wichtigste. Er holt seine Kundinnen und Kunden mit den Dingen ab, die sie beschäftigen. Besucht er einen euphorischen Sportklub-Fan, dessen größte Leidenschaft Stadionbesuche sind, passt er sich an und plaudert mit ihm über das letzte Match. Geht es zwei Stunden später zur pensionierten Germanistik-Professorin, wird er mit ihr über die deutsche Grammatik diskutieren. Durch diese Anpassungsfähigkeit schafft Michi es selbst schwer zugängliche Menschen aus der Reserve zu locken.
Das ist auch ein Punkt, bei dem der Vorteil der Hauskrankenpflege gegenüber der stationären Pflege deutlich wird. Man muss nur einen Blick ins Wohnzimmer werfen und beobachten: Wie sieht der Raum aus? Hängen Bilder von Seen und Teichen mit stolzen Fischer*innen davor, wird der Kunde oder die Kundin wahrscheinlich gerne angeln. Wenn im Bücherregal hauptsächlich Travel-Magazine zu sehen sind, wird das ein Mensch sein, der sich für Reisen interessiert. Und damit hat man schon ein Gesprächsthema gefunden, das die Person begeistert und auf andere Gedanken bringt.
Ich nehme dich als Person ernst, aber das Leben können wir auch mal locker nehmen.
Michi tut sich da leicht, er hat schon einige Jahre Erfahrung im Beruf gesammelt. Wenn man weiß, was man tut, kann man gelassener an die Sache herangehen. Wer dazu noch eine positive Grundeinstellung zum Leben hat, wird diese auch eher weitergeben können.
Ähnlich sieht es Margit Kahr, Einsatzleitung der Mobilen Dienste Markt Hartmannsdorf: „Ich bin ein Mensch, der sich gerne kleine Scherze ausdenkt.“ Den lockeren Spirit versucht sie auch an ihr Team weiterzugeben, gerade wenn Unsicherheiten oder Zweifel auftauchen. Professionalität steht natürlich im Vordergrund - doch die Qualität der Arbeit leidet nicht darunter, wenn man mit Kundinnen und Kunden auch mal lacht. Ganz im Gegenteil: Für viele ist der Besuch der Hauskrankenpflege ein Highlight – eben weil auch der Humor Platz hat. Margit merkt das, wenn immer wieder spitzbübische Fragen kommen, auf die sie nur mit einem Scherz reagieren kann.
Angespannte Situationen lassen sich mit ein wenig Humor ganz gut entschärfen. Das gilt nicht nur im Beruf, sondern auch im Privatleben. Jemand, der oft trübe Stimmung hat, kann mit Humor aus der Reserve gelockt werden. „Humor verbindet“, sagt Margit. „Ich bekam ständig Anrufe von einem Mann, der sich über viele Dinge aufgeregt hat. Als ich ihn einmal beim Abheben überschwänglich begrüßt und gesagt habe, dass ich schon besorgt war, ihm könnte etwas passiert sein, hat er gelacht. Seitdem haben wir einen richtig guten Draht zueinander.“
Margit wird immer versuchen, weniger optimistischen Menschen mit Humor zu begegnen. Ihr Zugang: Ich nehme dich als Person ernst, aber das Leben können wir auch mal locker nehmen. Dass sie damit manchmal auch abprallt, nimmt sie in Kauf. Genauso respektiert sie Situationen, in denen ein Scherz unangebracht ist. Gerade in der Pflege ist da Fingerspitzengefühl gefragt. Doch selbst das Krankheitsbild sagt nichts darüber aus, wie lustig die Betreuung sein darf. Denn auch - oder gerade Palliativpatientinnen und Patienten - sind froh, wenn ihr Alltag aufgelockert wird. Solange die Ausgelassenheit an den Charakter des Menschen angepasst wird und seine Persönlichkeit auch angenommen wird, darf es entspannter zugehen.
Dem Universum ist egal, wie es dir geht. Aber es geht dir besser, wenn du gut drauf bist.
Gut, Margit und Michael sind seit 30 bzw. 20 Jahren im Hilfswerk tätig und haben eine gewisse Routine in ihrer Arbeit entwickelt, die eine lockere Einstellung zulässt. Dennoch gehören die beiden einem bestimmten Persönlichkeitstyp an. Margit hat natürlich auch schlechte Tage, doch anstatt sich in eine negative Abwärtsspirale zu denken, bleibt sie lieber positiv. Vielleicht ist es auch die Erfahrung die dazu beiträgt: „Ich hatte wahrscheinlich schon eine schwerere Schule. Ich wurde streng erzogen, habe einiges erlebt – dadurch hat sich meine Sichtweise geändert. Im Großen und Ganzen geht es mir und meinem Umfeld sehr gut, also warum sollte ich jammern?“
Und bei Michi? Für den ist negatives Gedankengut sowieso ein Fremdwort. Sein Lebensmotto: Dinge passieren, weil sie passieren. Dem Universum ist egal, wie es dir geht. Aber dir geht es besser, wenn du gut drauf bist. Ein Grundvertrauen ins Leben ist für ihn dabei hilfreich. Genauso wie die Idee der seelischen Vorzimmerdame: „Ich habe eine Privatsekretärin im Kopf. Sie heißt Frau Müller, kocht hervorragenden Kaffee, klackert mit ihren High Heels durch die Gegend und federt viel ab. Wenn jemand sagt „Michi, du bist a Trottl“, kommt das als erstes zu Frau Müller. Die muss aus ihrem Büro raus, zwei Türen weiter, schauen ob der Chef da ist und bis die Aussage bei mir angekommen ist, ist das Thema schon hinfällig.“ Dieser kleine Trick verhindert für Michi, dass er seine Energien mit unnötigen Konfrontationen verschwendet.
Man kann noch so optimistisch sein, wenn man damit gegen eine Wand läuft, bringt es auch nichts. Die Arbeitskultur spielt eine wichtige Rolle. Für Margit ist das im Hilfswerk Steiermark gegeben: „Man spürt die Wertschätzung auch von ganz oben. Das Hilfswerk ist familiär, nicht hierarchisch. Hierarchie schafft eine Distanz, bei uns ist die Atmosphäre entspannter, somit bleibt mehr Raum für ein gelöstes Arbeiten“. Das spürt sie als Einsatzleitung auch im Team. Selbst in der sommerlichen Urlaubszeit, wenn viel mehr gearbeitet werden muss, wird gemeinsam gelacht. „Wenn man schon in der Früh am Stützpunkt Spaß hat, trägt man das auch zu den Kundinnen und Kunden mit hinaus.“
Dieser Artikel erschien im Hilfswerk Magazin November 2021. Das ganze Magazin können Sie hier downloaden.
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