Ein altes Sprichwort besagt: „Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte!“. So viel Wahrheit in diesem moralischen Appell steckt, so falsch ist er auch. Wenn zwei sich streiten, sollten wir uns alle darüber freuen. Wir assoziieren mit den Begriffen Konflikt und Streit negative Bilder. Bilder von Gewinnern und Verlierern, Bilder von Verletzung und Kränkung, Bilder von zerstörten Beziehungen und gebrochenen Herzen. Wir übersehen aber das positive Potenzial, das Konflikte beinhalten. Das Gute, das in Konflikten geschaffen wird, die Entwicklung, die passiert und das Verständnis, das wir für einander entwickeln können. Was es dafür braucht ist schnell erklärt: Übung! Auch Streiten will gelernt sein. Die Auseinandersetzung mit uns selbst, unseren Bedürfnissen, Emotionen, Wünschen und Werten ist eine der Grundvoraussetzungen für eine gesunde Streitkultur. Eine andere ist Mut. Nämlich Mut, unseren Mitmenschen offen zu begegnen und nicht davor zurückzuschrecken, unsere Bedürfnisse, Emotionen, Wünsche und Werte mit ihnen zu teilen. So einfach das auch klingen mag, so schwierig ist es in unserer Gesellschaft aber geworden.
Wir haben nämlich verlernt zu streiten. Bereits als Kindern wird uns beigebracht, dass Streit negativ behaftet ist. Nicht so sehr, weil es den Kindern schadet, sondern dem Harmoniebedürfnis der Erwachsenen. Dabei wird übersehen, wie wichtig Streit für die Entwicklung ist. Im Streit lernen wir uns selbst, unsere Grenzen und die Grenzen des Gegenübers erkennen. Wünsche, Bedürfnisse und Gefühle werden in Worte gefasst. Probleme werden offen angesprochen und wir erfahren, wie der Streit-Partner eine Sache sieht und wie er zu ihr steht. Im Streit lernen wir als Kinder Konfliktlösungsstrategien, wir lernen unterschiedliche Wege mit den vermeintlichen Unvereinbarkeiten der Interessen umzugehen und Kompromisse zu finden.
Wenn zwei sich streiten sollten wir uns alle darüber freuen.
Wir haben verlernt zu streiten. Wir begeben uns nur noch selten in die direkte Konfrontation mit unseren Mitmenschen. Wir tragen Konflikte nicht mehr face-to-face aus, wir kommunizieren am Telefon, per Messenger oder in sozialen Medien. Wir suchen online nach Verbündeten, die der gleichen Meinung sind wie wir, damit wir uns stärker fühlen. Wir beharren auf unseren Standpunkt, ohne die Argumente des Gegenübers auf uns wirken zu lassen. Es fällt uns leicht, denn wir müssen so wenig von uns Preis geben. Versteckt in der Anonymität der Digitalität sind wir stark. Kein noch so kleiner Zweifel lässt sich an der Mimik erkennen, unsere Körpersprache kann nicht verraten, wenn wir unsicher werden. Wir haben verlernt zu streiten. Menschen, die offen mit uns in Diskussion gehen, erleben wir als Querulanten. Sie kosten uns Zeit und Energie. Zeit, die wir mit vermeintlich sinnvolleren Dingen füllen möchten. Wir übersehen dabei, dass wir zum Stillstand kommen. Wir entwickeln Ideen, die nicht hinterfragt werden. Wir erproben Konzepte und scheitern. Weil wir verlernt haben, dass Wahrnehmung vielfältig ist und jede Wahrheit nur subjektiv.
Wir haben verlernt zu streiten. Die Angst vor den Konsequenzen hindert uns. Angst zu verletzen oder verletzt zu werden. Im Streit als Verlierer hervor zu gehen oder einen faulen Kompromiss eingehen zu müssen. Wir wollen unsere vorgefertigte Meinung nicht überdenken. Harmonie ist das erstrebenswerte Ziel, so wie es uns als Kindern beigebracht wurde. Eine trügerische Harmonie, in der wir Menschen, die anders denken aus unserem Leben ausschließen. Und dabei übersehen wir, dass wir aufhören zu lernen, uns weiterzuentwickeln, neue Sichtweisen zu erfahren und daran zu wachsen. Wenn sich also zwei streiten, dann freue ich mich als Dritter. Für die beiden. Für die Entwicklung, die passiert. Für das Wachstum, das für beide ermöglicht wird. Für die neuen Sichtweisen, die geschaffen werden. Für die Nähe, die aufgebaut wird. Und für das wunderbare Gefühl das entsteht, wenn zwei sich versöhnen.
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