Zum Zeitpunkt der Geburt verfügen Menschen bereits über unterschiedliche Kompetenzen. Säuglinge zeigen schon eine Reihe von Reflexen, besitzen divergierende Wahrnehmungsfähigkeiten, verschiedene Anlagen im Temperament und individuelle genetische Voraussetzungen. Dieses Portfolio der Veranlagungen bildet die Grundlage für die weitere Entwicklung eines Babys. Aber auch das soziale, kulturelle und emotionale Umfeld beeinflusst die Entfaltung des neuen Lebens. Je mehr Geborgenheit, körperliche Nähe und liebevolle Zuwendung Kinder zu Beginn ihres Lebens erhalten, umso förderlicher wirkt sich dies auf die weitere Gesamtentwicklung aus.
Besonders in den ersten zwei bis drei Jahren vollzieht sich die Entwicklung rasant. Ein Baby oder Kleinkind macht in diesem Abschnitt etwa jeden Monat ein bis zwei Reifungsschritte. Die Entwicklung eines Menschen dauert meist bis über das 20. Lebensjahr hinaus. Bis es jedoch so weit ist, müssen Kinder und ihre Eltern sowie ihre Bezugspersonen einige Stadien miteinander meistern. Gute Nachricht vorweg: Auch wenn manche Phasen anspruchsvoller sind als andere, folgt fast immer eine Entspannungsphase. In diesen Momenten merken Eltern oft, dass ihr Kind erneut einen großen Schritt in Richtung Erwachsenwerden gemacht hat.
In Zusammenarbeit mit der pädagogischen Leitung des Hilfswerks, Mag. Manuela Wurzer-Plendner, haben wir wichtige Abschnitte des kindlichen Wachstums zusammengefasst. Begleitet von Tipps für Eltern und Bezugspersonen:
Im 1. Lebensjahr durchlaufen Kinder im Zeitraum zwischen dem 6. und 8. Monat die sogenannte „Fremdelphase“. Diese ist je nach Kind unterschiedlich stark ausgeprägt und hängt sowohl vom Temperament des Kindes wie auch von der genetischen Veranlagung ab. Konkret äußert sich das Fremdeln durch Skepsis, Angst oder Irritation gegenüber neuen Personen, Gegenständen oder auch einer unbekannten Umgebung. Dieser Entwicklungsschritt ist wesentlich, da das Kind nun in der Lage ist, seine Bezugspersonen klar zu erkennen und zwischen bekannten und unbekannten sowie vertrauten und nicht vertrauten Menschen zu unterscheiden. Mit Abschluss dieser Phase erreicht das Kind einen weiteren Meilenstein, indem es lernt, dass Dinge, die verschwinden, nicht für immer verloren sind, sondern wiederkommen können. Diese Fähigkeit ist nicht von Anfang an vorhanden, denn für einen Säugling gilt noch der Satz: „Aus den Augen aus dem Sinn.“
Es ist grundsätzlich empfehlenswert, Babys bis zum Ende des ersten Lebensjahres nicht zu lange schreien zu lassen. Auf diese Weise gelingt es dem Kind Urvertrauen aufzubauen und eine vertrauensvolle Beziehung zu seiner Umgebung zu entwickeln. Um dies zu gewährleisten, sollten Eltern und enge Bezugspersonen stets in Reichweite des Kindes sein und es unterstützen, um Schreieskapaden nicht eskalieren zu lassen.
Ab dem 2. Lebensjahr beginnen Kinder, ihre Selbstbestimmung zunehmend auszuleben. Dank ihrer fortschreitenden sprachlichen Entwicklung verstehen sie ihre Bezugspersonen immer besser und zeigen kooperatives Verhalten. Erwachsene können dieses Verhalten durch offene Freude und Lob zusätzlich fördern. Durch kontinuierliches Feedback und Erklärungen wird auch die emotionale Entwicklung des Kindes unterstützt, wodurch es wiederum Selbstbestimmung erlangt. Das Kind beginnt, einen eigenen Willen, Ziele und Motive zu entwickeln. Um eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung zu gewährleisten, sollten die Eltern dem Kind die Möglichkeit geben, auch seine eigenen Vorstellungen auszuleben. Dennoch sollten während dieser Entwicklungsphase auch klare, altersgerechte Grenzen gesetzt werden, denn diese bieten Orientierung und Sicherheit. Dass diese nicht immer reibungslos akzeptiert werden, davon können Bezugspersonen ein Lied singen, nicht umsonst wird dieser Abschnitt zwischen zwei und drei Jahren auch Trotzphase genannt. Die Phase der Autonomie ist für Erziehungsberechtigte gleichzeitig auch sehr lehrreich. Während dieser Zeit lernen auch sie neue Seiten an sich kennen, was diesen Zeitraum zuweilen sehr anstrengend machen kann. Hier ist Geduld gefragt, insbesondere mit sich selbst. Eltern sollen in diese Periode hineinwachsen und sich gemeinsam mit ihrem Kind entwickeln dürfen.
Kinder haben von Natur aus den Drang zur Selbstständigkeit, daher ist es in dieser Zeit am wichtigsten Verständnis, Vertrauen und Geborgenheit zu vermitteln. Dies gelingt am besten, wenn man mit dem Kind plaudert, Feedback gibt, sich Zeit nimmt, um Dinge zu erklären und zu zeigen. Kinder lernen die Welt um sich herum erst kennen und sind auf den sprachlichen Austausch angewiesen. Wenn das Kind sich in dieser Phase aggressiv verhält, ist es besonders wichtig, Ruhe zu bewahren und ihm Nähe bzw. Körperkontakt zu geben, falls es dies wünscht. Mitten in einer emotional angespannten Situation eine Handlung oder Grenze zu setzen, ist hingegen wenig zielführend. Jedes Kind hat sein eigenes Tempo. Obwohl es manchmal verlockend sein kann, sollte man Kinder nicht zum nächsten Entwicklungsschritt drängen oder ziehen.
Im 2. und 3. Lebensjahr beginnen die Kinder auch ihr magisches Denken richtig auszuleben. Diese magische Phase kann bis zum sechsten Lebensjahr andauern. In diesem Zeitabschnitt können viele Ängste entstehen, da Realität und Fantasie oft miteinander verschwimmen. Im kindlichen Vorstellungsvermögen gibt es nichts, was es nicht gibt. Alles, was sich ein Kind also vorstellen kann, ist potenziell auch real oder könnte so passieren. Gleichzeitig fürchtet es, dass auch andere Kinder, Erwachsene sowie Zauberer, Prinzessinnen und Monster auf die gleiche Weise Dinge herbeiführen könnten.
Für Eltern ist es wichtig, viel zu erklären, alle Fragen zu beantworten, gemeinsam mit dem Kind Bücher zu verschiedenen Themen anzuschauen und sich bewusst mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Gemeinsam Märchen und Geschichten lesen und/oder gemeinsam Erzählungen zu erfinden, Rollenspiele, in denen Alltagssituationen nachgeahmt werden, Handpuppen und Verkleidungen jeglicher Art können jetzt sehr hilfreich sein. Kreative Aktivitäten wie Malen, Zeichnen oder Basteln sollten darüber hinaus nicht zu kurz kommen. Je mehr sich Eltern auf diese Phase einlassen, desto besser können Kinder diese auch ausleben. Denn Kinder haben die einzigartige Fähigkeit, sich Fantasien auszumalen. Wenn ein Kind etwas begeistert erzählt oder ausschmückt, sollte man anerkennen, dass das für das Kind Realität ist. Man kann die Chance nützen, gemeinsam mit dem Kind auf den fliegenden Teppich zu steigen und die Welt aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
Kinder haben von Natur aus den Drang zur Selbständigkeit
Beim egozentrischen Weltbild handelt es sich um eine Wahrnehmungsinterpretation des Kindes, in dieser ist es der Mittelpunkt seiner eigenen Welt. Das Kind nimmt an, dass die eigene Weltanschauung sich mit der von allen anderen deckt. Kinder gehen also davon aus, dass alle um sie herum gleich denken, handeln und auch dieselben Interessen haben. Etwa ab dem 4. Lebensjahr wird das egozentrische Weltbild zunehmend durch die Empathiefähigkeit „abgelöst“.
Um einem Kind zu helfen, andere Perspektiven zu erkennen, sollten Eltern ihm vermitteln, dass es auch andere Wahrnehmungen gibt. Zum Beispiel kann man erklären, dass ein Mann weint, weil er traurig ist oder dass die Nachbarin lacht, weil sie sich freut. Inwieweit das Kind hierfür schon bereit ist, kann man mit einem ganz einfachen Beispiel testen:
Wenn Sie vor einem Haus stehen, fragen Sie das Kind, wie das Haus wohl auf der anderen Seite aussehen könnte. Hier kann man gut in Austausch mit dem Kind gehen, um ihm zu zeigen, dass das, was man nicht sieht, nicht automatisch dem gleicht, was man sehen kann. Denn die Fenster könnten auf der anderen Seite blau statt grün sein, es könnten Balkone oder Gärten vorhanden sein.
Dieses Gedankenexperiment fördert den Perspektivenwechsel: eine Fähigkeit, die Kinder benötigen, um soziale Kompetenzen wie Einfühlungsvermögen und moralisches Denken (gutes und schlechtes Gewissen) zu entwickeln. Um die soziale Kompetenz von Kindern weiter auszubauen, ist es wichtig, viel zu sprechen, zu spielen, zu erklären, zu gestalten und ihnen eine Vielzahl an sozialen Kontakten mit Gleichaltrigen zu ermöglichen.
Zwischen dem 5. und 7. Lebensjahr durchlaufen Kinder einen Abschnitt, der in den letzten Jahren vermehrt als „Wackelzahnpubertät“ bezeichnet wird. Breiter bekannt ist sie unter „Sechsjahres-Krise“, doch obwohl diese Phase als „Krise“ bezeichnet wird, handelt es sich bei ihr eher um einen gesamtpersönlichen Veränderungsprozess. In diesem Alter ändern sich viele neurologische Verbindungen, der Körper, ja sogar die Gesichtszüge entwickeln sich weiter. Der Nachwuchs entwickelt sich vom Kleinkind zum Schulkind, der Zahnwechsel findet statt und das Kind wird zunehmend selbstständiger. Diese Veränderungen können mit Wachstumsschmerzen und einer Fülle an neuen Herausforderungen einhergehen, was bei Kindern Stress, Wut oder Überforderung auslösen kann. Der dänische Familientherapeut Jesper Juul empfiehlt Eltern, ihre Kinder in dieser Zeit als Sparring-Partner zu begleiten. Eltern sollten sich auf den symbolischen Ring einlassen und ihrem Kind dabei helfen, diese spannende Entwicklungsphase zu meistern. Denn nach der Wackelzahnpubertät folgen bald die Vorpubertät und die Pubertät. Die Kuschelzeit ist damit vermehrt vorüber, nun gilt es die nächste spannende Etappe der Begleitungsarbeit zu beginnen.
Die Fähigkeit, Ruhe zu bewahren, bildet die Grundlage für alle Handlungen. Als Bezugsperson sollte man unbedingt auf die eigenen Ressourcen achten. Je entspannter man selbst ist und je mehr man auf sich achtet, desto besser kommt man gemeinsam mit dem Kind durch diese Phase. Es ist keine Überraschung, dass auch Konflikte auftreten können - diese sind absolut normal. Am besten meistert man diese, indem man in konstruktivem Austausch und im Gespräch mit dem Kind bleibt. Es gilt zu akzeptieren, dass es völlig in Ordnung ist, wenn Kinder Dinge infrage stellen. Wichtig ist es, Meinungsverschiedenheiten nicht persönlich zu nehmen und zu akzeptieren, dass man als Elternteil oder enge Bezugsperson auch ein "Reibebaum" für den Nachwuchs ist. Regeln und Grenzen sind dennoch nötig und dienen der Unterstützung der Entwicklung des Kindes. Ein gewisses Maß an Selbstbestimmtheit sollten Kinder jedoch immer bewahren dürfen. Natürlich kostet konstantes Nachfragen oder sogar Infragestellen der elterlichen Erziehungskompetenz Energie. Betrachten wir dies aus einem anderen Blickwinkel: Kinder zeigen damit Interesse an ihrem Umfeld und sie signalisieren damit, dass sie mehr über die ihnen nahestehenden Menschen erfahren wollten, was wiederum die Grundlage für deren eigene Weiterentwicklung bildet.
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