Im Bundesländerübergreifenden Bildungsrahmenplan für elementare Bildungseinrichtungen in Österreich definiert man den Begriff Bildung „als lebenslangen Prozess der aktiven Auseinandersetzung des Menschen mit sich und der Umwelt“. Klingt sperrig? Sie haben Recht. Lassen Sie uns das Thema daher aus dem Blickwinkel einer Alltagssituation, wie sie bei uns in der Hilfswerk Kinderkrippe in Stainz stattfindet, betrachten. Denn Spielen, Lernen und Bilden sind unmittelbar und untrennbar miteinander verbunden.
Im Foyer der Kinderkrippe gibt es unterschiedliche Materialien, die die Kinder auf einen Projektor legen können, um mit Licht und Schatten zu experimentieren. Die zwei Jahre alte Hanna hat sich verschiedene Figuren aus bunten Folien geholt. Damit setzt sie sich auf den Boden und vertieft sich konzentriert in ein Spiel. Hanna legt bunte geometrische Formen auf: Vierecke, Dreiecke… aber auch Blumen und andere Figuren. Sie schiebt diese konzentriert hin und her. „Das gehört da,“ höre ich sie sagen und „Was habn ma da alles?“ Hanna nimmt eine rosa Blume. „Rosa Blume… da habn ma rosa.“ Immer wieder verändert sie ihr gelegtes Bild am Boden und benennt ganz selbstverständlich einzelne Farben und Formen. Zusätzlich dokumentiert Hanna was sie tut: „Das leg ma jetzt da hin! Da hab´ ich gelb!“
Zwischendurch steht Hanna von selbst auf und holt sich neue Figuren um ihr Bild weiter auszubauen. Den Prozess, den ich als stille Beobachterin wahrnehme ist das intensive Auseinandersetzen mit der Umwelt. Das ist Lernen, Entdecken und Forschen auf vielen Ebenen: Hanna benennt bereits bekannte Farben und Formen, sie ist gleichzeitig kreativ, indem sie verschiedene Bilder legt und diese wieder verändert. Sie beschäftigt sich aufmerksam über einen langen Zeitraum mit dem Material ohne sich ablenken zu lassen und – sie hat diese Art von Spiel selbst initiiert.
Es gibt keine bessere Förderung als Kindern Zeit und Raum zum Spielen zu geben. Spielen ist die Art wie Kinder lernen. Sie suchen Anregungen, die sie für ihre momentane Entwicklung brauchen und erforschen damit ihre Umwelt. Kinder lernen durch das Spiel „wie die Welt funktioniert“, denn sie sind von sich aus neugierige Wesen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass oft Spiele bevorzugt werden, in die sich Erwachsene so wenig wie möglich einmischen. Wenn wir als Erwachsene zu viel vorgeben, strukturieren oder organisieren (bestimmt aus gut gemeinter Absicht), dann nehmen wir Kindern die Freude am Experimentieren und am Spiel.
„Kinder brauchen Erfahrungsräume, in denen sie sich selbst bilden können.“
Voraussetzungen für das Lernen ist also eine Atmosphäre des Wohlbefindens und des Vertrauens, denn Lernen passiert immer über Beziehung.
Als Eltern oder Bezugspersonen sollten sie dafür da sein, „soziale Brücken“ zu den Kindern zu bauen. Was meine ich damit genau? Sie sollten einen „Funken“ zünden, der sofort auf die Kinder überspringt. Ein praktisches Beispiel dazu: Im Regal steht schon seit zwei Tagen ein Körbchen mit neuen Massagebällen. Bis jetzt hat noch kein Kind das Körbchen herausgenommen. Die Kindergärtnerin setzt sich damit auf den Teppich und beginnt die Bälle auf ihrem Unterarm zu kreisen. Sofort ist sie von allen Kindern umringt, die ihr zuschauen und mitmachen wollen. Der „Funke“ ist sofort übergesprungen.
Nur wenn sich ein Kind sicher und geborgen fühlt, kann es sich voll und ganz auf das Erforschen seiner Umwelt einlassen. Daher ist es auch so wichtig, dass sich Kinder in Ihren Kindergärten und Kinderkrippen angenommen, wertgeschätzt und geliebt fühlen.
Kinder brauchen kreativen Freiraum um sich entfalten zu können. Das Häufen von Sachwissen ist nicht ausreichend um im Leben voran zu kommen. Damit aus einem Kind eine selbstständige und selbstsichere Persönlichkeit heranreift braucht es Vertrauen, Freude am Entdecken, Begeisterungsfähigkeit und soziales Miteinander. Es geht nicht darum dem Kind in Worten zu erklären wie ein Windrad funktioniert, sondern es geht um gemeinsame Erlebnisse: gut angezogen rauszugehen, vielleicht ein Windrad in der Hand und entdecken lassen, was passiert. Wie es sich anfühlt, wenn einem der Wind um die gut eingepackten Ohren weht und wie schön es aussieht, wenn die Bäume „tanzen“.
In der Kinderkrippe ist Hanna immer noch in ihr Spiel vertieft. Jetzt hat sie am Prospektständer im Foyer ein Heftchen entdeckt. Sie nimmt es, setzt sich wieder auf den Boden und legt ihre Figuren ordentlich sortiert hinein. Sie blättert wiederholt in dem Heft, sucht „versteckte“ Figuren und erzählt sich selbst, was sie in dem Prospekt sieht „Da ist ein Mann!“. Dabei störe ich sie absichtlich nicht, denn welche Möglichkeiten hätte ich ihr genommen, wenn ich schon am Beginn tadelnd unterbrochen hätte mit Worten wie: „Hanna, die Folienfiguren gehören nur auf den Projektor, nicht auf den Fußboden!“
Was wäre ihr alles entgangen! Und was wäre mir alles entgangen! Es ist ein Geschenk für Erwachsene, wenn wir uns ein wenig zurücknehmen und ein Kind „Kind“ sein lassen, als „Schöpfer seiner eigenen Entwicklung.“ Danke Hanna, dass ich heute durch deine Augen sehen durfte, was „Spielen, Lernen und Bilden“ wirklich ausmacht!
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