Wenn man die Büroräume des Mobilen Palliativteams betritt, fällt einem sofort die angenehme, ruhige Atmosphäre auf. Man bekommt ein warmes Lächeln geschenkt und wird begrüßt mit dem Satz: „Stell´ das gerne ab und komm in Ruhe bei uns an.“. Im Team wird herzlich miteinander gelacht und geplaudert, es herrscht eine wertschätzende Umgebung, die sich auch im Gesprächsverlauf deutlich zeigt. Das Gefühl, am Tisch zu sitzen ähnelt jenem, von einer warmen Decke eingehüllt zu sein, neben Menschen, die es gut mit einem meinen. Und plötzlich ist selbst das Thema Tod gar nicht mehr so schwer.
Was bedeutet Vertrauen für euch persönlich?
Andrea: Vertrauen heißt für mich offen und ehrlich sprechen zu dürfen und dass, wenn ich mich jemandem anvertraue, nichts davon weitererzählt wird.
Hans: Genau, es geht darum, dass man sorgsam damit umgeht, wenn man etwas erzählt bekommt.
Renate: Vertrauen ist eine ganz wichtige Basis für jede Art von Beziehung.
Marika: Und auch die Basis, damit man sich jemandem überhaupt öffnen kann.
Bettina: Vertrauen bedeutet auch Sicherheit. Sicherheit geben und Sicherheit bekommen.
Nina: So sehe ich das auch, ein Vertrauensbruch sorgt dafür, dass man diesem Menschen schwer oder überhaupt nicht mehr trauen kann.
Was bedeutet Vertrauen für eure Arbeit?
Renate: Vertrauen ist der Grundbaustein, den unsere Arbeit benötigt.
Bettina: Vertrauen im Team ist für mich unerlässlich. Denn nur durch Vertrauen kann ein gutes Miteinander gelingen. Das gilt sowohl im Kolleg:innenkreis als auch für unsere Arbeit mit unseren Patient:innen und ihren Angehörigen.
Hans: Wir führen im Rahmen unserer Tätigkeit sehr intime Gespräche, hier ist eine hohe Sorg-falt und Achtsamkeit im Umgang mit dem Gehörten wichtig. Generell ist Verschwiegenheit ein wichtiges Prinzip unserer Arbeit.
Wieso habt ihr euch genau für diesen Tätigkeitsbereich entschieden?
Hans: Ich war bereits in verschiedenen Sparten der Sozialarbeit tätig. Als ein wichtiges Familienmitglied verstorben ist, war das für mich der Anlass mich mit dem Thema Abschiednehmen und Sterben zu beschäftigen, das hat mich schließlich zu meiner Arbeit im Palliativbereich geführt.
Bettina: Mich hat die Arbeit mit schwer unheilbar erkrankten Menschen schon immer berührt. Aber ich habe oft Beobachtungen gemacht, bei denen ich mir gedacht habe: So zu sterben, das ist nicht gut, es fehlt so viel. Der Tod gehört einfach zum Leben dazu, und mir war klar, das geht besser, hier kann noch mehr getan werden. Als dann das Palliativteam Mürzzuschlag/Bruck aufgebaut worden ist, bekam ich von meiner ehemaligen Pflegedienstleitung die Möglichkeit in diesen Bereich zu wechseln. Ich habe das nie bereut. Die Arbeit ist vielseitig, wertvoll und schön.
Marika: Mir ist wichtig, Zeit für die Patient:innen und ihre Angehörigen zu haben. Nach einem Pflegebesuch möchte ich das Gefühl haben, das passt, ich habe gute Arbeit geleistet.
Renate: Ich arbeite gerne in einem interdisziplinären Team, wir haben ein sehr breites Tätigkeitsfeld in dem wir selbstständig arbeiten können. Die gute Schnittstelle zum Krankenhaus, erlaubt uns, unsere Patient:innen vielseitig zu unterstützen.
Andrea: Bei mir war es ein „Schnuppertag“ im Palliativbereich. Schon am ersten Tag habe ich gewusst, da gehöre ich hin. Die selbstständige Arbeit nahe an den Patient:innen ist das, was mir extrem gut gefällt.
Nina: Ich bin als Teamassistenz in der Verwaltung tätig und war davor schon in einem Krankenhaus beschäftigt. Für mich ist dieser Beruf optimal, ich helfe gerne und bin für alle Anliegen am Telefon erreichbar und unterstütze vom Büro aus wo ich kann.
Wenn nichts mehr zu tun ist, ist noch viel zu tun.
In eurem Beruf dreht sich viel um das Thema Tod, ums Sterben. Habt ihr den Eindruck die ständige Konfrontation damit lässt euch intensiver leben?
Renate: Nicht intensiver, aber bewusster. Man setzt sich in unserem Bereich natürlich öfter mit dem Gedanken der Sterblichkeit auseinander, dabei lernt man das Leben noch mehr zu schätzen. Verschiedene kleinere Probleme sind kein Weltuntergang. Wenn man heimkommt und alle gesund sind, das ist wichtig.
Bettina: Ich sehe wie viel Kraft unsere Patient:innen und ihre Angehörigen entwickeln und wie sie oft lernen, trotz des Bewusstseins über ihre begrenzte Lebenszeit, intensiv und gut zu leben. Davon nehme ich viel für mich persönlich mit.
Hans: Es relativiert sich vieles, man ist mit Schicksalen konfrontiert, in deren Vergleich eigene Alltagsprobleme in den Hintergrund rücken. Ich persönlich sage jeden Tag Danke, dass ich gesund sein darf. Wenn man das für sich sehen und wertschätzen kann, ist es eine Bereicherung. Man entwickelt mehr Demut dem Leben gegenüber.
Marika: In diesem Beruf wird einem wirklich bewusst, dass Gesundheit nicht selbstverständlich ist.
Wie reagieren andere darauf, wenn ihr sagt, was ihr beruflich macht?
Hans: Häufigster Satz: „Ich könnte das niemals machen.“
Marika: Wenn Menschen persönlich betroffen sind, dann sind sie auch offener für das Thema.
Meine Erfahrung ist, dass gar nicht so genau nachgefragt wird, was ich mache. Intensiveres Nachfragen zu meinem Tätigkeitsfeld gibt es nur sehr selten.
Andrea: Doch oft würde es genau dieses Mehr an Erklärung brauchen, wir betreuen Menschen häufig über einen längeren Zeitraum, wir sind mitten im Familienleben. Hier entsteht eine Beziehung, man lacht gemeinsam und es gibt einen laufenden Austausch. Palliativpflege bedeutet nicht nur Traurigkeit. Es ist von außen schwer zu verstehen, was wir in diesem Bereich leisten.
Bettina: Natürlich schwingt beim Thema Sterben auch Angst mit. Auch ich erlebe häufig, dass Menschen, die mich nach meiner Tätigkeit fragen, oft ganz betroffen von der Antwort sind und dann gar nicht wissen wollen, wie genau meine Aufgaben aussehen. Wenn Menschen die Nachricht bekommen, dass nun nichts mehr getan werden kann, dass der Tod unausweichlich ist, dann stoßen wir naturgemäß auch auf große Verzweiflung. Aber das Zitat: „Wenn nichts mehr zu machen ist, ist noch so viel zu tun“, bringt es für mich auf den Punkt. Es ist noch viel zu tun und genau das ist unsere Aufgabe. Wenn wir vor Ort sind und unterstützen und das tun wir ganz oft über einen langen Zeitraum, dann merken wir wie Patient:innen und Angehörige nochmal Kraft schöpfen, das ist wertvoll und wichtig. Ich empfinde meine Arbeit als schön und finde es eigentlich schade, dass so eine Scheu davor besteht.
Vertraut ihr darauf, dass es nach dem Tod noch etwas gibt?
Hans: Jeder hat bei dem Thema seine eigene Wahrheit. Ich persönlich bin ein gläubiger Mensch, ich glaube, dass es noch etwas gibt, ja. Auch die Naturwissenschaft sagt, dass Materie nicht verloren geht, wir existieren - in welcher Form auch immer - weiter.
Renate: Ich bin ebenso gläubig und glaube auch fest daran, dass noch etwas kommt nach dem Tod. Ich beobachte in meiner Arbeit, dass den Menschen die im Glauben verankert sind, die Verabschiedung aus diesem Leben leichter fällt.
Bettina: Das ist auch meine Wahrnehmung. Ich erlebe ebenfalls, dass gläubige Menschen, und das muss nicht der Glaube an Gott sein, den Tod eines geliebten Menschen leichter verarbeiten und zuversichtlicher in die Zukunft gehen.
Andrea: Es geht weiter, nur wie, wissen wir nicht.
Welche Gedanken haben Menschen, wenn sie dieses Leben hinter sich lassen?
Marika: „Wie geht´s weiter?“ ist eine Frage die mir immer wieder begegnet. Viele Sterbende machen sich Sorgen um ihre Familie oder um ihre Haustiere. Ein wichtiges Anliegen ist meistens das eigene Begräbnis. Dieses gut geplant zu wissen, das Rundherum selbstbestimmt zu entscheiden, ist für die Versterbenden genau so wichtig, wie für ihre Angehörigen. Denn diese haben damit die Sicherheit, dass bei der Verabschiedung alles im Sinne des verstorbenen Menschen geschieht.
Hans: Bestehende Konflikte sind oft ein Thema, hier besteht der Wunsch diese zu klären, sie nicht mitzunehmen. Die Erfahrung zeigt, dass sich dieser Anspruch nicht immer erfüllt.
Andrea: Den meisten ist es wichtig, dass alles wirklich gut weiter geht und die Liebsten gut versorgt sind, auch dann, wenn sie nicht mehr da sind.
Renate: Oft spüren Menschen, wenn die Kraft zu Ende geht und das tun auch ihre Angehörigen. Um die schmerzhafte Wahrheit nicht auszusprechen, lenken viele die Kommunikation auf unwichtigere Dinge.
Bettina: Genau da ist es auch unsere Aufgabe zu unterstützen und die Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen in die richtige Richtung zu bringen. Wir ermutigen sie dazu Gedanken und Sorgen aktiv aus- und anzusprechen. Wenn Wünsche und Bedürfnisse artikuliert werden, löst sich auch im Rundherum vieles auf.
Wo seht ihr die größte Herausforderung in eurer Arbeit?
Hans: Ich bin oft mit Grenzen konfrontiert, die ich nicht beeinflussen kann. Die Planung eines Betreuungskonzeptes ist abhängig von den finanziellen Mitteln einer Person oder einer Familie, strukturelle gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen lassen eine Versorgung im gewünschten persönlichen Umfeld nicht immer zu, die 24-Stunden-Betreuung kann sich nicht unbedingt jede:r leisten.
Renate: Zusätzlich besteht das Problem, egal wo man im Sozialbereich hinsieht, es gibt zu wenig Personal, diese Aussichten sind schon besorgniserregend.
Marika: Für unseren Beruf wird viel applaudiert, trotzdem fehlt oft die Wertschätzung. Was man für sich selbst lernen darf ist, sich zurückzunehmen und zu respektieren, dass nicht alle Vorschläge und Angebote von den Patient:innen angenommen werden. Das fällt nicht immer leicht, vor allem wenn man das Gefühl hat einen leichteren Weg aufzeigen zu können.
Hans: Doch auch dieses Recht auf Unvernunft muss man dem Anderen zugestehen.
Bettina: Speziell auf den Palliativbereich bezogen, sehe ich eine große Herausforderung in der Scheu der Menschen vor der Palliativbetreuung. Es wäre schön, wenn es gelingt viele Ängste, die es in dem Zusammenhang gibt, abzubauen. Wir können eine Krankheit leider nicht wegzaubern, die ist da. Aber wir können in dieser schweren Zeit wertvolle Unterstützung bieten.
Wie grenzt ihr euch ab, wenn euch etwas sehr belastet?
Marika: Wir haben ein sehr gutes Team und besprechen vieles miteinander, sodass wir die Themen beim Nachhausegehen so weit als möglich nicht mitnehmen.
Renate: Uns unterstützen auch regelmäßige Supervisionen, wo spezielle Situationen gemeinsam aufgearbeitet werden.
Bettina: Wir schauen aufeinander und weisen uns auch gegenseitig darauf hin, wenn wir das Gefühl haben, dass jemand von uns emotional zu sehr in einer Situation feststeckt.
Hans: Mir persönlich gefällt das Wort abgrenzen gar nicht so gut. Jeder von uns nimmt immer die Dinge mit, die wir erleben. Wichtig ist doch, wie man mit diesen zurechtkommt. Wenn man das Erlebte wie einen schweren Rucksack herumträgt, ist es schwierig. Doch vieles was mir im Beruf begegnet, ist auch eine absolute Bereicherung für mich. Über Erlebnisse zu sprechen hilft aber in jedem Fall.
Was ist eine gute Art zu sterben?
Marika: Schmerzfrei, im Kreis der Familie.
Bettina: Dabei mit sich und mit seinen Lieben im Reinen zu sein, an dem Ort, wo man gerne sein möchte.
Hans: Schmerzfrei ist definitiv ein sehr wichtiger Punkt.
Renate: Wenn man ohne Angst gehen kann, weil man weiß, man ist gut begleitet.
Bettina: Wir haben einen Patienten begleitet, der von seiner Gattin gepflegt wurde. Nachdem er zu Hause in ihrem Beisein verstorben ist, hat seine Gattin zu uns gesagt: „Wisst ihr, ich habe jetzt gesehen, wie schön diese Begleitung ist, beim Gehen. Der Tod ist nichts vor dem man sich fürchten muss.“.
Renate: Das war jetzt ein super Ende.
Das war es in der Tat.
Danke an die Gesprächsteilnehmer*innen:
Hans Pfandl (Dipl. Sozialarbeiter), Nina Frauendorfer (Teamassistenz), Marika Scheikl (Pflege, DGKP), Dr. Renate Redl (Teamärztin), Andrea Rosenberger (Pflege, DGKP), Bettina Pernsteiner (Teamleitung, DGKP)
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