120 verschiedene Grüntöne unterscheiden und benennen – was uns als schier unlösbare Aufgabe erscheint, ist für die Bewohnerinnen und Bewohner der Regenwälder des Amazonas selbstverständlich. Ebenso, wie es für Inuitkinder in Grönland ganz normal ist, den Schnee zu „lesen“ und den diversen Formen von Eis und feinen Kristallen eigene Namen zu geben. Doch wie kommt es zu diesen unterschiedlichen Fähigkeiten?
Die Neurowissenschaften helfen bei der Beantwortung dieser Frage: Im menschlichen Gehirn steht ein Überschuss an Nervenzellen und Vernetzungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die so genannte „Neuroplastizität“ sorgt dafür, dass sich unser Gehirn immer wieder neu anpassen kann. Je nachdem, welche Dinge wir als bedeutsam erachten, entwickeln sich bestimmte Verknüpfungsmuster in unserem Gehirn, so der Neurobiologe Gerald Hüther. Mit jedem neuen Tag und seinen Erfahrungen entscheidet sich, welche der Nervenzellvernetzungen stabilisiert werden und welche verkümmern. Diese Fähigkeit zur Neuroplastizität bleibt dem Menschen von der Geburt bis zum Tod erhalten. Was Kinder jedoch von Erwachsenen maßgeblich unterscheidet, ist ihre Begeisterungsfähigkeit, die wir im Verlauf unseres Heranwachsens oft verloren haben. Jede neue Entdeckung, jede neu gelernte Fähigkeit löst im kindlichen Gehirn einen für Erwachsene kaum noch nachvollziehbaren Sturm von Hochgefühlen aus. Dieses „Feuer“ an Freude über sich selbst und über all das, was es noch zu entdecken gibt, ist der wichtigste „Treibstoff“ für die rasante Entwicklung von Fertigkeiten eines noch jungen Menschen.
Was Wissenschafterinnen und Wissenschafter schon länger vermutet haben, können nun bildgebende Verfahren sichtbar machen: Spielen verändert die Hirnaktivitäten. Frei und ohne Druck spielende Menschen weisen einen geringeren Sauerstoffverbrauch des Gehirns auf, was auf eine verminderte Aktivität der Nervenzellenverbände im Bereich der Amygdala zurückzuführen ist. Das ist jene Hirnregion, die bei Angst besonders aktiv wird. Im Spiel kommt den Menschen gleichsam die Angst abhanden, beziehungsweise entsteht sie im Normalfall erst gar nicht. Gleichzeitig lassen sich verstärkte Aktivitäten in jenen neuronalen Netzwerken feststellen, die für das Bewältigen der Herausforderungen des Spieles selbst benötigt werden. Je komplexer das Spiel, umso vielschichtiger werden regionale Netzwerke im Gehirn "angefeuert". Damit entstehen jene Voraussetzungen, die in der Folge kreative Ideen und Lernfortschritte erst möglich machen.
Doch das spielerische Bewältigen von Aufgaben beflügelt nicht nur die Verdichtung der neuronalen Vernetzung unseres Gehirns und damit dessen Leistungsfähigkeit, sondern setzt auch Belohnungsmechanismen im Mittelhirn in Gang. Diese "Verstärkersysteme" lösen bei Menschen ein Gefühl der Freude, der Lust und Begeisterung aus. Die Ausschüttung von Dopamin, einem opiatähnlichen Botenstoff, sorgt unter anderem für eine positive Grundstimmung. Für den Neurobiologen Gerald Hüther ist Spielen sogar die beste Voraussetzung für nachhaltiges Lernen, das dann gleichzeitig die Lebensfreude steigert. Denn man könne nur nachhaltig etwas im Gehirn verankern, wenn man sich dafür begeistert. Spiralförmig wird die Entwicklung über so genannte positive Rückkopplungen (=Belohnungseffekte) vorangetrieben: Sie führt von der Neugierde, über die Freude am Entdecken und daran geknüpfte Erfolgserlebnisse zu dem hin, was gemeinhin als Motivation bezeichnet werden kann.
All diese Prozesse hängen in ihrer Wirkkraft und Nachhaltigkeit allerdings von einem wichtigen Faktor ab: Es braucht eine sichere und vertrauensvolle Beziehung zu Menschen, die achtsam und sensibel auf das Kind eingehen und ihm die Freiheit lassen, sich mit Freude und Aufmerksamkeit Dingen zuzuwenden.
"Überall dort, wo sich Menschen ohne Angst, ohne Druck, selbstvergessen und spielerisch auf den Weg machen, spüren sie, wie etwas in ihnen zu wachsen beginnt. Erwachsene werden dann an einen Zustand in ihrer Kindheit erinnert, diese unbändige Freude am Leben, an ihrem bloßen Dasein im Hier und Jetzt. Sobald weder Angst noch Druck im Spiel sind, erwacht die Lust zu entdecken und zu gestalten. So funktioniert das Hirn."
Gehirnforschung für Kinder - Felix und Feline entdecken das Gehirn
Ein Sachbilderbuch für Kinder und Erwachsene: Gehirnforschung spannend erklärt. Unter welchen Bedingungen behalten Kinder die ihnen innewohnende Lust am Lernen, am Entdecken und Gestalten? Unter welchen vergeht sie ihnen? Wie spannend und kinderleicht man davon erzählen kann, zeigt dieses Sachbilderbuch von Inge Michels und Gerald Hüther, einem der profiliertesten Neurobiologen Deutschlands. Das Buch richtet sich primär an Vor- und Volksschulkinder und deren Eltern. 64 Seiten, Kösel-Verlag, Auflage: 7, ISBN: 978-3466308453
Lasst unsere Kinder spielen! - Der Schlüssel zum Erfolg
Neurobiologische Erkenntnisse belegen die Bedeutung des Spiels für die Entwicklung des Gehirns. Nicht nur systematische Förderung, auch Spiel hat einen wichtigen Stellenwert in der kindlichen Entfaltung. André Frank Zimpel zeigt, wie Kinder beim Spiel die Fähigkeit heranbilden, sich Dinge gedanklich auszumalen, und wie man sie dabei effektiv unterstützen kann. Die imaginierten Spielsituationen sind Vorboten sich entwickelnder geistiger Fähigkeiten, ohne die ein Leben in
unserer Gesellschaft nicht denkbar wäre. 158 Seiten, Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Auflage: 4, ISBN 978-3525701294
Lernen und Bilden. Neuropädagogische Apekte für eine kindzentrierte Pädagogik.
Fortbildungsvideo mit Mag. Matthias Huber, Bildungsforscher, Universität Wien
Herausgegeben von: Österreichisches Hilfswerk (Länge 35 Minuten)
2018
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