„Wurde in den vergangenen Wochen die Impfskepsis bei Teilen des Pflege- und Betreuungspersonals thematisiert, geraten nun die Probleme der Impfstoffbeschaffung in den Fokus der öffentlichen Diskussion. Leider geht in der allgemeinen Wahrnehmung ein entscheidendes Faktum völlig unter: In den mobilen Diensten – Hauskrankenpflege und Heimhilfe – arbeiten 18.000 Fachkräfte in Österreich, die ebenso wie die über 60.000 Betreuerinnen in der 24-Stunden-Betreuung bisher völlig im Unklaren gelassen werden, wann sie die Möglichkeit zur Impfung bekommen,“ sagt Elisabeth Anselm, Geschäftsführerin des Hilfswerk Österreich. „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter empfinden das als Ungeheuerlichkeit. Sie leisten seit Monaten Enormes, sie sind extrem exponiert, sie brauchen Gewissheit und sie müssen, auch im Interesse der betreuten und gepflegten Menschen sowie deren Angehöriger endlich entsprechende Priorität in der konkreten Ausarbeitung und Umsetzung der Impfpläne bekommen. Wir benötigen dringend Sicherheit und Klarheit“, fordert Anselm.
Trotz mehrfacher Ankündigungen, dass alle Pflegekräfte prioritär und in der ersten Phase der Impfpläne ihre Schutzimpfung absolvieren könnten, wisse in der häuslichen Pflege und Betreuung bisher niemand, wann die Fachkräfte in diesem Sektor nun tatsächlich an die Reihe kämen, kritisiert das Hilfswerk. „Wir haben eine große Gruppe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die der Impfung von Anfang an ausgesprochen positiv gegenüberstanden und sich sofort impfen lassen wollten. Sie sind über die mangelnde Priorisierung entsprechend enttäuscht. Auch bei den Kolleginnen und Kollegen, deren Vertrauen für die Impfung erst gewonnen werden musste, wirkt sich die nun fehlende Berücksichtigung in der Umsetzung wenig motivierend aus“, erläutert Anselm, und ist überzeugt: „Wer Impfbereitschaft von Schlüsselkräften einmahnt, muss auch entsprechend handeln und klare Prioritäten setzen. Alles andere untergräbt das Vertrauen, und das wäre gerade jetzt fatal.“
Wie wichtig rasche Impftermine für Pflegekräfte sind, weiß beispielsweise auch Marina Meisterhofer, Pflegedirektorin des Hilfswerks im Burgenland. Ihr gelang es, die noch im Dezember weit verbreitete Impfskepsis auf ein Minimum zu reduzieren: „Wir haben alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu animiert, mit uns über ihre Ängste und Sorgen zu sprechen, und wir sind ehrlich auf sie zugegangen. Sie sollten nun so schnell wie möglich geimpft werden, ehe die Impfbereitschaft wieder sinkt. Sonst verpuffen die Resultate unserer Anstrengungen ebenso wie die Vorbildwirkung, die wir von bereits geimpften Kolleginnen und Kollegen aus dem stationären Bereich übertragen können, und der damit verbundene positive Dominoeffekt“, sagt Meisterhofer.
„Wir fordern Bund und Länder mit Nachdruck auf, die Pflege- und Betreuungskräfte in den mobilen Diensten, in der Hauskrankenpflege, in der Heimhilfe und in der 24-Stunden-Betreuung nicht länger im Ungewissen verharren zu lassen. Nach vielen Monaten in Ansteckungsgefahr und beruflichem Ausnahmezustand haben sie sich das mehr als verdient. Wir brauchen rasches Handeln und klare Prioritäten. Das sind wir auch den zu Hause betreuten und gepflegten Menschen und deren Angehörigen schuldig“, meint Anselm abschließend.
Das Hilfswerk Österreich unterstütz die Initiative „Österreich impft“.
Tausende impfwillige Pflegekräfte warten bisher vergeblich auf Covid-Schutzimpfung. Gerade jetzt fatal, meint das Hilfswerk.
Nach der Impfskepsis des Pflegepersonals rücken nun Lieferengpässe beim Impfstoff in den medialen Fokus. Leider nicht im Blick: Die Situation tausender impfwilliger Fachkräfte in der häuslichen Pflege.