„Die aktuellen Diskussionen zur Pflegereform greifen zu kurz und setzen nur punktuell an“, kritisiert Othmar Karas, Präsident des Hilfswerk Österreich. “Wie wollen wir den prognostizierten Anstieg der Pflegegeldbezieher/innen von derzeit 455.000 auf 750.000 bis zum Jahr 2050 bewältigen, wenn wir nicht endlich in eine versachlichte und konzeptorientierte Auseinandersetzung gehen?“, fragt Karas. Und weiter: „Die jedenfalls auch künftig unabdingbaren Versorgungsleistungen der Pflegeheime und die 24-Stunden-Betreuung dominieren den medialen Diskurs, die mit Abstand größte Pflegeorganisation im Land sind aber die Angehörigen, und denen muss zuallererst geholfen werden“, stellt Karas klar. 84 Prozent der pflegebedürftigen Österreicher/innen werden aktuell zu Hause gepflegt, entweder ausschließlich von Angehörigen oder mit Unterstützung von mobilen Diensten wie Hauskrankenpflege und Heimhilfe. „Deren Pflegealltag muss von bürokratischen Hindernissen befreit und die Beratung sowie Begleitung pflegender Angehöriger verstärkt werden. Der forcierte Ausbau mobiler Dienste ist das Gebot der Stunde! Temporäre Entlastungsangebote wie Kurzzeitpflege oder Tageszentren können ebenfalls eine wirksame Hilfestellung sein. Die regelmäßige Valorisierung des Pflegegeldes sollte aus unserer Sicht die erste zu diskutierende finanzielle Maßnahme sein, denn derzeit spart die öffentliche Hand genau bei jenen, die dem Staatshaushalt Milliarden sparen helfen.“
Lösung für Pflegeregress allein greift zu kurz
Die finanzielle Seite der Pflege umfasst jedoch nicht nur die seit Jahren fehlende Wertanpassung des Pflegegeldes, sondern auch die länderspezifische Ungleichbehandlung der Betroffenen in Hinblick auf die Eigenbeiträge zu den Pflegedienstleistungen. „Alleine diese Ungleichheit bei den zu leistenden Eigenbeiträgen steht im krassen Widerspruch zu der Tatsache, dass alle Bürgerinnen und Bürger, wenn es um das Einzahlen ins System geht, sehr wohl gleich behandelt werden“, erläutert Karas. „Bevor wir die gesamte Energie in eine ideologische getriebene Finanzierungsdiskussion stecken, fordern wir als Hilfswerk am Beginn einer echten Reform des Pflegesektors die Frage nach einheitlichen Qualitätsstandards anzugehen und danach die Pflegefinanzierung ordnungspolitisch auf neue Beine zu stellen. Die derzeitige Diskussion rund um den Pflegeregress greift bei weitem zu kurz“, so Karas abschließend.
Fakten zur Pflege
Laut Erhebung des Sozialministeriums bezogen 2015 österreichweit 452.601 Personen Pflegegeld, von denen 75.632 (17 %) in Heimen, die überwiegende Mehrheit von 376.969 (83 %) zu Hause versorgt wurden. Letztgenannte wurden zu 46 % (209.346) von Angehörigen und zu 32 % (145.723) von den Angehörigen mit Unterstützung von Pflegediensten betreut. Die 24-Stunden-Betreuung nahmen 21.900 Personen (rund 5 %) in Anspruch.