Am Dienstag, 8. Oktober 2019, laden das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO und der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger zur 13. Sozialstaatsenquete mit dem Titel „Die Leistungsfähigkeit unterschiedlicher Pflegesicherungssysteme“. Nationale und internationale Expertinnen und Experten präsentieren und diskutieren Vor- und Nachteile unterschiedlicher Ansätze zur Finanzierung der Pflegeversorgung. Zur Sprache kommen u.a. das deutsche Modell einer beitragsfinanzierten Pflegeversicherung sowie die steuerfinanzierte Langzeitpflege in Norwegen.
Vertiefung der Debatte in Österreich dringend notwendig
Das Hilfswerk Österreich, eine der führenden Pflegeorganisationen des Landes, begrüßt die Abwägung von Chancen und Risiken unterschiedlicher Pflegesicherungssysteme anhand internationaler Beispiele. „Das Thema der Sozialstaatsenquete ist wichtig, weil die einschlägige politische Debatte in Österreich dringend vertieft werden muss. Wir bewegen uns hier noch immer zu sehr an der Oberfläche“, meint Elisabeth Anselm, Geschäftsführerin des Hilfswerk Österreich. Der internationale Vergleich zeige laut Hilfswerk, dass Organisationsgrad und Finanzierung der Pflege in Österreich Entwicklungsbedarf haben. So liege etwa das Finanzierungsvolumen in Österreich mit 1,5 Prozent des BIP verhältnismäßig niedrig. In Norwegen beispielsweise seien es 2,9 Prozent. Anselm weist darauf hin, dass alleine schon der demografische Wandel in Österreich dazu führen müsse, dass in den kommenden Jahren mehr finanzielle Mittel in die Sicherung der Langzeitpflege investiert werden, und stellt fest: „Daran werden wir uns gewöhnen müssen. Erfreulich ist, dass diese Investitionen eine nachweislich hohe Wertschöpfung für unsere Volkswirtschaft zeitigen.“
Erst Pflegerisiko und Pflegeleistung, dann Finanzierung bestimmen!
„Was man in der Diskussion zur Pflegefinanzierung nicht übersehen darf, ist, dass die Entscheidung für ein bestimmtes Finanzierungsmodell, also die Ausgestaltung der Beschaffungsseite, auch potenzielle Auswirkungen auf die Leistungsseite hat“, sagt Anselm. Man müsse daher zuerst grundlegende Fragen klären, etwa: „Wie definieren wir das Risiko, das wir absichern wollen? Welche Form der Absicherung bzw. welche Unterstützungsleistungen wollen wir konkret sicherstellen? Auf welchem Niveau?“ Man habe sich in Österreich bisher etwa um eine klare Definition von Pflegebedürftigkeit herumgedrückt. „Das muss man jedoch – ganz besonders im Falle einer Versicherungslösung – dringend klären“, meint Anselm. In diesem Zusammenhang wäre auch das Verfahren zur Bedarfsfeststellung zu evaluieren und zu modernisieren: „Die aktuelle Einstufungslogik zum Pflegegeld hat grundlegende Mängel, sowohl in den gesetzlichen Grundlagen als auch in der geübten Praxis“, ist Anselm überzeugt.
Reform muss „echte“ Verbesserungen für Betroffene bringen
Klar sei laut Hilfswerk jedenfalls, dass nach der dringend notwendigen Pflegereform in Österreich Betroffene und Angehörige besser dastehen müssen als vorher – und nicht umgekehrt. Dafür seien einige kritische Schnittstellen gut zu klären. Man werde etwa darauf achten müssen, dass die Bedürfnisse pflegebedürftiger Menschen, die überdies soziale Risiken haben, entsprechend berücksichtigt werden. „Hier geht es um die Schnittstellen zwischen Pflegebedürftigkeit und Sozialhilfe“, erläutert Anselm.
Auch in Richtung des Gesundheitssystems gäbe es Klärungsbedarf. Und schließlich berühre die gesamte Diskussion auch die Kompetenzen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. „Wir werden gut aufpassen müssen, dass in dieser komplexen Gemengelage an Verantwortlichkeiten und Interessen die Bedürfnisse pflegebedürftiger Menschen und ihrer Angehörigen Priorität behalten“, sagt Anselm abschließend.