Zum Schulbeginn im Herbst 2023 spüren die Familien in Österreich die Auswirkungen der anhaltenden Teuerungskrise besonders deutlich. Trotz Einmalzahlungen wie dem Schulstartgeld müssen Eltern vor allem die laufenden Bildungsausgaben für ihren Nachwuchs reduzieren. Opfer der Einsparungen sind häufig die schulische und außerschulische Tagesbetreuung sowie Angebote der Freizeitgestaltung wie Musikunterricht. Für Rebecca Janker, Fachreferentin für Kinder, Jugend, Familie und Psychosoziale Dienste im Hilfswerk Österreich, eine alarmierende Entwicklung:
„Eine qualitätsgesicherte Freizeitbetreuung und -gestaltung ist ein wesentlicher Faktor für die Lern- und Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und Jugendlichen“, sagt Janker und referiert die Quintessenz einer Studie der EU-Kommission: „Extracurriculare Aktivitäten steigern die sozial-emotionale Kompetenz der Kinder sowie deren Selbstwertgefühl und Selbstwirksamkeitsempfinden. Die Lern- und Freizeitbetreuung am Nachmittag sowie die Teilnahme an sportlichen, künstlerischen und musikalischen Angeboten fördern das Wohlbefinden, reduzieren Angst und Stress, Impulsivität und Aggressionen“, erläutert Janker. Die Zugänglichkeit einer strukturierten Freizeitbetreuung dürfe daher nicht der Teuerung zum Opfer fallen. Stattdessen brauche es den Erhalt bestehender sowie einen nachhaltigen Ausbau qualitativ hochwertiger und leistbarer Angebote, so die Hilfswerk-Expertin.
Freizeitbetreuung für viele kaum leistbar
Umso bedauerlicher sei es, dass viele Eltern die Kosten für die strukturierte und sinngebende Freizeitgestaltung ihrer Kinder nicht mehr schultern können. Mit Blick auf das Nachhilfebarometer und die Schulkostenstudie der Arbeiterkammer schlägt das Hilfswerk Alarm: „Im Schuljahr 2022/2023 gaben Familien insgesamt 121,6 Millionen Euro für Nachhilfe aus (um 18,9 Mio. Euro mehr als 2021/2022). Mehr als die Hälfte der Eltern fühlten sich durch die Ausgaben stark oder spürbar belastet. 20 Prozent der Eltern, deren Schulkinder keine Nachhilfe in Anspruch nehmen konnten, hätten sich diese gewünscht. „Wir sind hier weit davon entfernt, allen Kindern die gleichen Bildungschancen einzuräumen, vielmehr hängt der Bildungserfolg einmal mehr stark vom Haushaltseinkommen der Eltern ab“, so Rebecca Janker.
Familien mit geringem Einkommen seien aufgrund der Teuerung verstärkt dazu gezwungen, ihr Haushaltsbudget auf die Grundbedürfnisse und die unbedingt notwendigen Schulkosten (z. B. Unterrichtsmaterialien) zu konzentrieren. „Nachhilfe, Nachmittagsbetreuung an Schulen oder in Horten, Musik- und Sportangebote sind für diese Kinder leider nicht leistbar“, beklagt Rebecca Janker. Allein 39 Prozent der Alleinerziehenden seien außerstande, die Kosten für Angebote der Nachmittagsbetreuung zu stemmen. „Gibt es niemanden, der die Betreuung des Nachwuchses informell übernimmt, kann die alleinerziehende Person weniger arbeiten, was die ohnehin prekäre finanzielle Situation zusätzlich verschärft“, argumentiert Janker.
Kostenfreie bzw. leistbare Angebote dringend notwendig
Das Hilfswerk plädiert deshalb für den Ausbau kostenfreier oder leistbarer Angebote schulischer und außerschulischer Freizeit- und Nachmittagsbetreuung. Chancengleichheit für Kinder und Jugendliche darf nicht am finanziellen Spielraum der Familien scheitern.
Zugleich spricht sich das Hilfswerk gegen den vorliegenden Entwurf zur Reform der bestehenden schulischen Freizeit- und Nachmittagsbetreuung aus. Deren geplante Zentralisierung und Verstaatlichung würde aus Sicht des Hilfswerks die Vielfalt der Betreuungsangebote für Kinder und Jugendliche einschränken. Für die Eltern würde sie den Verlust an Flexibilität bedeuten.
„Denn die gemeinnützigen Träger des bestehenden Betreuungsangebots legen großen Wert auf die Zugänglichkeit ihrer Angebote, auch zu Tagesrandzeiten und während der Schulferien. Außerdem binden sie Vereine und Initiativen (Sport, Kultur, etc.) ein, um ein abwechslungsreiches und regional verankertes Programm zu ermöglichen“, so Rebecca Janker abschließend.
Hilfswerk: Nachhilfe, Freizeitpädagogik und Angebote für Jugendliche, Kinder und Familien
Das Hilfswerk ist ein führender gemeinnütziger Träger der freien Wohlfahrt in Österreich. Das Feld seiner Tätigkeit reicht von Dienstleistungen rund um die Familie, Kinderbetreuung und Jugendarbeit über die Pflege und Betreuung älterer und kranker Menschen – insbesondere in ihrer vertrauten Lebenswelt – bis hin zu sozialen und psychosozialen Angeboten.
Das Hilfswerk bietet beispielsweise Lern- und Sozialgruppen für Schülerinnen und Schüler an, die nicht zuletzt aufgrund der COVID-Pandemie Nachteile und Herausforderungen in schulischen und sozialen Belangen erfahren mussten. Weitere Angebote des Hilfswerks sind freizeitpädagogische Bildungsangebote an Schulen, Schulsozialarbeit, die Organisation von Jugendtreffs und Jugendzentren, die mobile aufsuchende Jugendarbeit, Begleitung bei Trennung und / oder Scheidung der Eltern, Jugendintensivbetreuung und Begleitung im Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe, kostenfreie Psychotherapie für Jugendliche bis 18 Jahren sowie klinisch-psychologische Diagnostik. Dazu kommen Jugendberatung sowie Arbeitsbegleitung für einen erfolgreichen Start ins Berufsleben.
Hilfswerk Servicehotline
Die Hilfswerk Servicehotline unter 0800 800 820 (gebührenfrei aus ganz Österreich) bietet Information und Beratung rund um die Themenbereiche Kinder, Jugend, Familie, Kinderbetreuung sowie Pflege.
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