Kinder- und Jugendschutz ist zurzeit ein großes Thema – nicht zuletzt aufgrund zahlreicher Anlassfälle, die in den vergangenen Monaten und Jahren zutage getreten sind. Verpflichtende Schutzkonzepte für elementarpädagogische, schulische und außerschulische Einrichtungen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, werden gerade eingeführt. Doch im staatlichen Bereich der Kinder- und Jugendhilfe fehlt es überall an Kapazitäten.
Am 20. November 1989 wurde die UN-Kinderrechtskonvention verabschiedet. Seither wird jedes Jahr an diesem Tag ein globales Zeichen gesetzt, um erneut auf die universellen Rechte und Anliegen von Kindern und Jugendlichen aufmerksam zu machen. Die UN-Kinderrechtskonvention fußt auf vier Säulen: dem Recht auf Gleichbehandlung, dem Vorrang des Wohles von Kindern, dem Recht auf Leben und Entwicklung sowie der Achtung vor der Meinung des Kindes.
Österreich setzt bei der Erfüllung der Konventions-Anliegen auf unterschiedliche Maßnahmen wie die verpflichtende Einführung von Kinder- und Jugendschutzkonzepten in elementarpädagogischen, schulischen sowie außerschulischen Einrichtungen. Diese sollen vor allem im Bereich der Prävention einen Beitrag leisten. Die Konzepte beinhalten aber auch klare Verantwortlichkeiten und Abläufe bei Verdachtsfällen. Die Erstellung der Konzepte ist ein partizipativer Prozess, in den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch die betreuten Kinder und Jugendlichen jeder Einrichtung eingebunden sind. Diesen Prozess durchlaufen derzeit auch die Kinder- und Jugendbetreuungseinrichtungen des Hilfswerks in den Bundesländern.
„Wir sehen die strukturelle Erarbeitung von Prozessen des Kinder- und Jugendschutzes als essenzielles Thema für alle Einrichtungen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten“, betont Rebecca Janker, Fachreferentin für Kinder, Jugend, Familie und psychosoziale Dienste im Hilfswerk Österreich. „Ein partizipativer Prozess ist natürlich zu Recht mit sehr großen Erwartungen aller involvierten Personen verbunden. Damit sich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier wirklich unterstützt fühlen, braucht es nicht nur Forderungen an die Bildungsinstitutionen, sondern auch deutliche Handlungen seitens der politischen Verantwortungsträger/innen – vor allem, was eine Aufstockung der Kapazitäten im Kinder- und Jugendhilfebereich betrifft“, ist Janker überzeugt.
Mangel an Personal und Unterbringungskapazitäten führt zu kritischen Verzögerungen und massiven Versorgungsproblemen
Was passiert, wenn sich ein Verdachtsfall erhärtet und die Gefährdung eines Kindes oder eines/r Jugendlichen gemeldet werden muss? Im Idealfall kommt es zu einer raschen Abklärung und Kontaktaufnahme mit der meldenden Einrichtung sowie mit dem betroffenen Kind und dessen Familie, damit zeitnahe Unterstützungsmaßnahmen, wie z. B. Familienhilfe oder Fremdunterbringung in Angriff genommen werden können. Auch die fallbezogene Vernetzung der Kinder- und Jugendhilfe mit allen Stakeholdern, vor allem auch mit der Einrichtung, die die Meldung abgesetzt hat, soll umgehend angebahnt werden.
In der Realität kommt es aber aufgrund akuten Personalmangels bzw. aufgrund fehlender Plätze in Krisenzentren oder WGs zu massiven Versorgungsproblemen auf allen Ebenen. Seit Jahren machen der Österreichische Dachverband der Kinder- und Jugendhilfe, die Kinder- und Jugendanwaltschaft sowie viele (ehemalige) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe bereits darauf aufmerksam, dass es vor allem im Bereich der Fremdunterbringung zu äußerst prekären Situationen kommt, weil die Wartezeiten viel zu lang oder die bestehenden Einrichtungen überfüllt sind und es nicht genug Personal gibt.
Neben generellem Personalmangel monieren Experten und Expertinnen u. a. auch den nicht mehr zeitgemäßen Personalschlüssel oder Probleme bei der Einstufung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das hat zur Folge, dass aufgrund einer massiven Abwanderung des Personals in andere Bereiche viele Angebote gar nicht oder nur mehr teilweise umgesetzt werden können. Mitunter kommt es sogar zur Sperrung ganzer Einrichtungen, da kein Betreuungspersonal besetzt werden kann. Und die Situation spitzt sich immer mehr zu. „Jahrelange, sehr konkrete Forderungen verschiedener Interessenvertretungen aus dem Bereich der Kinder- und Jugendhilfe nach besseren Rahmenbedingungen verhallen ungehört“, beklagt Rebecca Janker.
„Setzt man in einer Einrichtung eine Gefährdungsmeldung ab, ist das ein überlegter und gut vorbereiteter Prozess. Dennoch ist es zugleich eine Ausnahmesituation. Es ist also mehr als notwendig, dass auf eine Meldung zeitnah Maßnahmen folgen, sonst führt das zu einer möglichen weiteren bzw. länger andauernden Gefährdung der betroffenen Kinder und Jugendlichen, sowie zu einer massiven Überforderung jenes Personals, das die Meldung abgesetzt hat. Genau solche langen Wartezeiten sind aber immer wieder der Fall“, kritisiert Janker.
Laut Expertinnen und Experten aus dem Bereich der Kinder- und Jugendhilfe fehlen zum einen finanzielle Mittel. Zum anderen brauche es vor allem mehr Personal, das die eingehenden Meldungen aus den Einrichtungen zeitnah abarbeiten kann, sowie Personal, das Unterstützungsleistungen für Familien, Kinder und Jugendliche anbietet. „Ausschließlich Forderungen an Einrichtungen zu stellen, reicht bei Weitem nicht aus. Vielmehr sollte endlich auch die Politik ihre Hausaufgaben machen und den Forderungen der Expertinnen und Experten nachkommen. Dazu zählen die Bereitstellung von Bundesmitteln für die Kinder- und Jugendhilfe, der Verbesserung der Rahmenbedingungen in den Berufsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe sowie die Wiedereinführung eines Bundes-Kinder- und Jugendschutzgesetzes“, so Rebecca Janker abschließend.
Über das Hilfswerk
Das Hilfswerk Österreich ist mit seinen Landes- und Teilverbänden einer der größten gemeinnützigen Anbieter gesundheitlicher, sozialer und familiärer Dienste in Österreich. Im elementarpädagogischen und außerschulischen Bereich betreuen derzeit rund 2.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ca. 19.000 Kinder und Jugendliche in mehr als 500 Einrichtungen.
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