„Pflegende Angehörige sind das Rückgrat des heimischen Pflegesystems. Aber sie sind oft unsichtbar“, meint Othmar Karas, Präsident des Hilfswerk Österreich. „Weil pflegende Angehörige die häusliche Pflege und Betreuung auch in der Krise am Laufen halten, werden sie oft nicht gesehen. Ihr Einsatz und Ihre Herausforderungen werden unterschätzt, weil sie sich nicht laut bemerkbar machen“, erläutert Karas.
Die Belastung in der häuslichen Pflege und Betreuung habe sich in der Krise jedoch enorm zugespitzt. Betroffene und Angehörige seien als Risikogruppen in zusätzliche Isolation geraten, es fehle an Perspektiven, Kraft und Zuversicht würden schwinden. „Wir müssen hier dringend reagieren und zusätzliche Unterstützung anbieten – etwa in Form spezifischer Beratung, die hilft, gemeinsam Pläne und Lösungen für die nächsten Monate zu entwickeln. Manche Betroffenen und Angehörigen benötigen auch psychosoziale Hilfe, um ihren Lebensmut und ihre Selbsthilfekräfte zu stärken. Pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige brauchen außerdem endlich eine funktionierende, kostenlose, dezentrale und rasch verfügbare Testinfrastruktur. Diplomierte Pflegekräfte kennen die familiären Situationen genau, sie können kraft ihrer Ausbildung Testabstriche nehmen und so zur schnellen Gewissheit hinsichtlich Infektion beitragen“, verweist Karas auf die sinnvolle Nutzung vorhandener Kompetenzen mobiler Dienste.
Maß nehmen an Bedürfnissen der pflegenden Angehörigen
Von den rund 462.000 Pflegegeldbezieherinnen und -beziehern in Österreich leben 79 Prozent zuhause. Sie werden zumeist von pflegenden Angehörigen umsorgt, zu 38,5 Prozent ausschließlich, 33 Prozent nutzen die Unterstützung mobiler Dienste wie Hauskrankenpflege und Heimhilfe, rund 5 Prozent haben eine 24-Stunden-Betreuung. „Deshalb muss auch die anstehende Pflegereform insbesondere das Wohl der pflegenden Angehörigen vor Augen haben und jede Maßnahme dahingehend überprüfen, welche Auswirkungen sie für diese hoch belastete Zielgruppe hat“, so Karas.
Unterstützung und Entlastung werde Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörige vor allem durch die Fachkräfte der mobilen Pflege- und Betreuungsdienste zuteil. Deshalb sei es unerlässlich, nicht nur den Rahmen für deren Leistungen zu verbessern, sondern spezifische Angebote der mobilen Dienste gezielt zu fördern und auszubauen. „Fachkräfte der Pflegeträger sind imstande, die physische und seelische Beanspruchung pflegender Angehöriger zu lindern. Dafür braucht es vernünftige Rahmenbedingungen, damit die Fachkräfte schnell und in ausreichendem Ausmaß helfen können“, fordert Karas.
Konkret schlägt das Hilfswerk folgende Maßnahmen zur Unterstützung pflegender Angehöriger vor:
- kostenlose und umfassende Erstberatung für pflegende Angehörige in allen Bundesländern durch Pflegefachkräfte und/oder Sozialarbeiter/innen
- niederschwellige Angebote für fachlich-pflegerisches Coaching und psychosoziale Beratung und Begleitung für pflegende Angehörige
- unbürokratisch verfügbare Entlastungsangebote für Auszeiten von der Pflege, zur Erholung und zur Wahrung eigener Interessen, bereits bestehende Möglichkeiten der Ersatzpflege (Kostenzuschuss zu privater oder professioneller Pflege) müssen weiter ausgebaut werden.
- Vereinbarkeit von Pflege und Beruf im Sinne eines Rechtsanspruchs auf Pflegekarenz bzw. Pflegeteilzeit für die gesamte mögliche Dauer der Pflegekarenz/Pflegeteilzeit
- Anerkennung informell erworbener Pflegekompetenzen, d.h. wer sich in der familiären Betreuung und Pflege engagiert hat, soll eine gezielte Unterstützung beim beruflichen Um-/Einstieg in einen Pflege- oder Betreuungsberuf erhalten.