Gestern Dienstag, 29. März, haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter privater Kinderbetreuungseinrichtungen, wie schon im Jahr zuvor, Betriebsversammlungen abgehalten. Das Hilfswerk zeigt Verständnis für die Protestaktion: In der Elementarpädagogik werden längst überfällige Reformen verschleppt, und das seit Jahren. Die Leidtragenden dieses Versäumnisses: Kinder, Eltern sowie Pädagoginnen und Pädagogen. Die Reformziele sind klar, an tauglichen Finanzierungsinstrumenten für die Absicherung und Entwicklung des Angebots hingegen mangelt es: „Eine weitere Aneinanderreihung von 15a-Vereinbarungen* ohne geklärte Anschlussfinanzierung löst die Probleme nicht nachhaltig“, ist Elisabeth Anselm, Geschäftsführerin des Hilfswerk Österreich überzeugt.
Die türkis-grüne Bundesregierung hat die Stärkung der Elementarpädagogik bereits vor zwei Jahren angekündigt. Richtige und notwendige Maßnahmen sind im aktuellen Regierungsprogramm auch festgehalten: Der qualitative und quantitative Ausbau des Angebots etwa oder eine adäquate Qualitätssicherung und die Attraktivierung des Berufs. Umgesetzt wurde bis dato jedoch wenig. Und: Der Großteil der Maßnahmen ist auf Grund der Kompetenzverteilung nur im Zusammenwirken von Bund und Ländern umsetzbar. „Während die Ausbildung der Elementarpädagoginnen und -pädagogen in der Kompetenz des Bundes liegt, liegen die fachlichen, wirtschaftlichen und organisatorischen Kompetenzen für die Einrichtungen der Elementarpädagogik bei den Ländern. Diese sind unter anderem für das Betreuungsangebot, die Öffnungszeiten oder die Gruppengrößen sowie den Fachkraft-Kind-Schlüssel verantwortlich“, erläutert Doris Kendik, Fachreferentin für Pädagogik im Hilfswerk Österreich.
Nachhaltige Finanzierung statt Aneinanderreihung von Anschubfinanzierungen!
Vor diesem Hintergrund setzten Bund und Länder bezüglich Finanzierung auf 15a-Vereinbarungen. Solche werden jenseits des Finanzausgleichs genutzt, um akkordierten Vorhaben zwischen Bund und Ländern zu einer zielgerichteten Anschubfinanzierung zu verhelfen. „Die Erfahrungen der letzten Jahre lassen uns daran zweifeln, dass 15a-Vereinbarungen als Finanzierungsinstrument für den Ausbau der Elementarpädagogik praktikabel und zweckmäßig sind“, meint Anselm. 15a-Vereinbarungen ohne verbindliche Zielbeschreibung sowie geklärte Anschlussfinanzierung aneinanderzureihen, würde geradezu dazu einladen, die Mittel zum „Stopfen von Löchern“ zu verwenden. Die Gelder würden seitens der Länder oft genutzt, um erhöhten Investitionsbedarf, wie etwa bei der Schaffung von neuen Gruppenräumen, abzufedern, oder um Kosten für zusätzliches Personal zumindest im Förderzeitraum abzudecken. Neu geschaffene elementarpädagogische Angebote wären im Falle fehlender Anschlussfinanzierungen teilweise sogar wieder zurückgefahren worden.
Dass die Ergebnisse der vereinbarten Evaluierung der letzten 15a-Vereinbarung erst nach Abschluss der Verhandlungen für die kommende 15a-Vereinbarung vorliegen, ist laut Hilfswerk symptomatisch für die Situation: „Eine evidenzbasierte Steuerung der Maßnahmen ist so nicht möglich“ hält Kendik fest. „Ohne eine langfristig gesicherte Finanzierung, insbesondere von Personalkosten, wird es nicht gehen. Auch qualitative Verbesserungen wie die Ausweitung der Öffnungszeiten oder die Verbesserung des Fachkraft-Kind-Schlüssels hängen von der langfristigen Sicherstellung der Finanzmittel ab“, so Kendik weiter. Angesichts der beschriebenen Misere sei es kein Wunder, dass in Österreich die Barcelona-Ziele der Europäischen Union, welche die Betreuungsplätze in elementarpädagogischen Einrichtungen bzw. die Betreuungsquoten erhöhen und dadurch die Situation berufstätiger Eltern verbessern sollen, zwölf Jahre (!) nach der vertraglich vereinbarten Umsetzungsfrist immer noch nicht erfüllt seien, meint Kendik abschließend.
*15a-Vereinbarung:
„15a-Vereinbarungen“ werden seit der 24. Gesetzgebungsperiode (2008-2013) in zunehmendem Maße für gemeinsame Regelungen und abgestimmtes Vorgehen im Bundesstaat genutzt. Als 15a-Vereinbarungen werden Verträge zwischen dem Bund und einem oder mehreren/allen Bundesländern bzw. Verträge der Länder untereinander bezeichnet. Eine weitere Bezeichnung ist „Gliedstaatsverträge“. Sie werden auf Grundlage von Art. 15a Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) abgeschlossen. Dieses Instrument wurde 1974 aufgrund langjähriger Forderungen der Bundesländer eingeführt. Davor konnten nur die Länder untereinander Vereinbarungen abschließen.
15a-Vereinbarungen sollen eine rechtsverbindliche, aber freiwillige Koordination zwischen dem Bund und den Ländern bzw. den Ländern untereinander ermöglichen. Sie bilden ein Element im System des kooperativen Föderalismus. Grundsätzlich sollen Bund und Länder ihre Aufgaben getrennt und unabhängig voneinander wahrnehmen. Dazu legt die Kompetenzverteilung die Zuständigkeiten für Gesetzgebung und Vollziehung des Bundes und der Länder in den Art. 10 bis 15 B-VG sehr detailliert fest. Das führt in vielen Bereichen, z.B. bei Gesundheit, Umweltschutz oder Bildung dazu, dass Zuständigkeiten aufgeteilt sind und das Zusammenwirken vieler Stellen erforderlich wird.