Laut aktuellem Österreichischen Familienbericht hat die Anzahl der Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Vorschulalter österreichweit zugenommen. Die strukturellen Merkmale der Angebote sind aber nach wie vor eine Frage des Wohnortes – ebenso die Vereinbarkeit von Job und Familie. Für die Kinder bedeutet das ungleiche Startbedingungen in ihre Bildungslaufbahn. Das Hilfswerk fordert deshalb eine rasche Angleichung der Rahmenbedingungen für die Kinderbetreuung in ganz Österreich.
93,5 Prozent der Drei- bis unter Sechsjährigen besuchen in Österreich eine elementare Bildungs- und Betreuungseinrichtung. Für diese Altersgruppe ist das Barcelona-Ziel (90 Prozent) erreicht. Nachholbedarf besteht hingegen noch bei den unter Dreijährigen: Laut Barcelona-Ziel sollten seit 2010 für mindestens 33 Prozent der unter Dreijährigen Betreuungsplätze zur Verfügung stehen. Die institutionelle Betreuungsquote für Dreijährige ist seit 2008 aber lediglich von 14 Prozent auf 26,5 Prozent (2018) gestiegen. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind diesbezüglich nach wie vor erheblich. Das bestätigt der 6. Österreichische Familienbericht, der jüngst publiziert worden ist und heute der Öffentlichkeit vorgestellt wird.
„Es ist in Österreich leider nach wie vor eine Frage des Wohnorts, welche Rahmenbedingungen Familien für die Kinderbetreuung und -bildung vorfinden“, so Martina Genser-Medlitsch, fachliche Leitung des Bereichs Kinder, Jugend, Familie beim Hilfswerk. Ob eine Betreuung im Wohnort, insbesondere für unter Dreijährige möglich ist, und wie diese ausgestattet ist, liege oft nicht nur an den strukturellen Vorgaben des jeweiligen Bundeslands, sondern auch an der Finanzkraft der Gemeinden. „Die Politik ist gefordert, Lösungen für finanzschwache Gemeinden zu finden“, sagt Genser-Medlitsch.
Flexibilisierung des Betreuungsangebots
Darüber hinaus spricht sich das Hilfswerk für eine Flexibilisierung des Betreuungsangebots in Gemeinden aus: Nicht immer ist eine neue Krabbelstube oder eine zusätzliche Gruppe im Kindergarten nötig, um den örtlichen Betreuungsbedarf abzudecken. „Tageseltern, etwa als ‚Betriebstagesmütter oder -väter‘ in Gemeinderäumlichkeiten, bieten die nötige Flexibilität, um rasch auf den veränderten Bedarf zu reagieren. Zudem bereichern sie die Betreuungslandschaft. Derzeit ist es Gemeinden jedoch nur in einigen Bundesländern möglich, die Kleinkindbetreuung über Betriebs-Tageseltern in öffentlichen Räumlichkeiten zu organisieren“, bemängelt Genser-Medlitsch.
Elementarpädagogik als Teil des Reformprogramms
Das Hilfswerk begrüßt, dass die Bundesregierung die Elementarpädagogik in das Nationale Reformprogramm aufgenommen hat: „Die geplante Ausbildungsoffensive in der Elementarpädagogik ist ein wichtiger Schritt, um dem bestehenden Personalengpass entgegenzuwirken. Und sie ist Voraussetzung für den qualitativen und quantitativen Ausbau der Angebote – ganztägig, ganzjährig und flächendeckend“, sagt Genser-Medlitsch. „Nur so können wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie einen gleichwertigen Bildungszugang für alle Kinder in ganz Österreich sicherstellen“, so die Hilfswerk-Expertin abschließend.