Unter dem Namen „Auftrag Bildung. Trägerinitiative Kinderbetreuung“ haben sich BÖE (Bundesverband österreichischer Elternverwalteter Kindergruppen), Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Kinderfreunde, St. Nikolausstiftung und Volkshilfe zusammengeschlossen, um ihre Positionen im Bereich der Elementarbildung gemeinsam zu vertreten. Die Plattform begrüßt den Schritt der Regierung, die Elementarpädagogik als erste Bildungseinrichtung zu verstehen und ein verbindliches Rahmengesetz für elementarpädagogische Einrichtungen in ganz Österreich zu erarbeiten. Doch nur mit einer echten Reform können die notwendigen Verbesserungen und ein hohes, österreichweit gleiches Qualitätsniveau in der Kinderbetreuung erreicht werden, so die Trägerinitiative.
Individuelle Entwicklung mit österreichweiten Qualitätsstandards fördern
Aktuell fördert das österreichische System in der Elementarpädagogik einen Fleckerlteppich: Die Vorgaben zu Betreuungsschlüssel, Gruppengröße, Personalqualifikation, Öffnungszeiten oder auch Raumbedarf pro Kind, wie sie bei Volksschulen seit Jahrzehnten Usus sind, zeigen sich von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Welche Bildungschancen einem offenstehen, gleicht damit einer Lotterie, die vom Wohnort abhängt. Die Trägerinitiative Kinderbetreuung tritt daher für österreichweite Qualitätsstandards nach dem Vorbild europäischer Länder ein, die im Bildungsbereich führend sind, wie etwa Finnland oder Schweden.
„Um Kindern ein förderliches Umfeld für ihre individuelle Entwicklung zu geben, braucht es die besten Rahmenbedingungen in allen elementarpädagogischen Bildungseinrichtungen. Diese müssen unabhängig vom Bundesland, der Betreuungsform und egal, ob es sich um eine private oder öffentliche Einrichtung handelt, gleich sein“, so Grete Miklin vom Bundesverband österreichischer Elternverwalteter Kindergruppen. Zu diesen Rahmenbedingungen zählen unter anderem ein altersgerechter Pädagoginnen- und Pädagogen-Kind-Schlüssel, verpflichtende Vorbereitungszeit für alle pädagogischen Mitarbeiter/innen, bezahlte Weiterbildung inklusive Reflexion sowie die Einbindung der Eltern als Bildungspartner.
Auch Maria Katharina Moser, Direktorin der Diakonie Österreich, sieht in den Arbeitsbedingungen für die Pädagoginnen und Pädagogen einen wichtigen Hebel zur Qualitätssteigerung: „Mehr Zeit für jedes Kind, die Vorbereitungszeit der Pädagoginnen und Pädagogen erhöhen, mehr Möglichkeit zur Inklusion von Kindern mit Behinderungen“, fasst die Diakonie-Direktorin drei zentrale Forderungen zusammen. Gerade am Anfang eines Kindergartenjahres stehen Beziehungsarbeit und das Zusammenwachsen an erster Stelle. Dies erfordert Einfühlungsvermögen, Geduld und auch viel Kommunikation mit Eltern und anderen Familienangehörigen. „Die individuelle Förderung der Kinder steht von Anfang an im Mittelpunkt der Erziehungs- und Bildungsarbeit im Kindergarten. Denn jedes Kind ist anders und hat sein eigenes Tempo“, so Moser.
„In erster Linie müssen Kinder dabei unterstützt werden, ihr Selbst zu entwickeln. Sie sollen sich in Kinderbetreuungseinrichtungen wohlfühlen, ihre Bedürfnisse ausdrücken und die für sie wichtige Unterstützung einfordern können“, sagt Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich. Kinder, die aufgrund zu großer Gruppen oder zu wenigen gestaltenden Erwachsenen keine optimale Förderung erfahren, hätten deutlich schlechtere Voraussetzungen dafür, was sich äußerst negativ auf ihre Zukunft auswirken kann. „Deshalb braucht es genügend Pädagoginnen und Pädagogen für entsprechend kleine Gruppen – und das einheitlich für alle Kinder gleichen Alters in Österreich. Denn jedes Kind ist gleich viel wert.“
Qualifizierte Fachkräfte sichern erste Bildungsarbeit
Mehr als 360.000 Kinder besuchen derzeit in Österreich eine Krabbelstube, einen Kindergarten oder Hort. Das sind rund 70 Prozent mehr als vor 20 Jahren. „Wir begrüßen diese Zunahme, denn sie erhöht die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und fördert die Entwicklung der Kinder besonders im Hinblick auf Bildungschancen: Studien belegen, dass sich ein früher Beginn der Betreuung und Bildung von Kindern in qualitativ hochwertigen Einrichtungen auszahlt und sich positiv auf den weiteren Lebens- und Bildungsverlauf auswirkt“, betont Edith Bürgler-Scheubmayr, Geschäftsführerin des Instituts „Caritas für Kinder und Jugendliche“ der Caritas in Oberösterreich.
Natürlich sei diese Zunahme auch eine große Herausforderung: „Qualifizierte pädagogische Fachkräfte sind notwendig, um hochwertige Bildungsarbeit für Kinder unterschiedlichster Herkunft anzubieten“ so Bürgler-Scheubmayr. Nur wenn die Rahmenbedingungen und das Personal passen, können elementare Bildungseinrichtungen auch als Orte des sozialen Ausgleichs wirken und Kinder dort abholen, wo sie in ihrer tatsächlichen Entwicklung stehen und nicht laut starrer Vorgaben stehen sollten.
Elmar Walter, Geschäftsführer der St. Nikolausstiftung betont: „Dass der Beruf der Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen ein Mangelberuf ist, hat mittlerweile auch der Bund wahrgenommen. Reformen im Bereich der Elementarpädagogik müssen jetzt umgesetzt werden, damit die Leidtragenden nicht die uns anvertrauten Kinder sind. Pädagoginnen und Pädagogen leisten unter den derzeit möglichen Rahmenbedingungen, allen voran dem unzulänglichen Fachkraft-Kind-Schlüssel, ihr Bestes – dafür ein herzliches Dankeschön!“
Bundesrahmengesetz und nachhaltiges Finanzierungskonzept
Blickt man aber heute auf Angebot und Rahmenbedingungen der Kinderbetreuungseinrichtungen, zeigen sich massive Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern. Mit den geltenden unterschiedlichen Standards kann Österreich keine strukturelle Chancengleichheit für seine jungen und jüngsten Bürgerinnen und Bürger garantieren.
„Als bundesweit tätige Trägerplattform sind uns einheitliche Qualitätsstandards ein großes Anliegen“, erklärt dazu Christian Oxonitsch, Bundesvorsitzender der Österreichischen Kinderfreunde. Es sei nicht nachvollziehbar, dass für eine Kinderbetreuungseinrichtung im Burgenland andere Regeln gelten als in Vorarlberg mit insgesamt neun unterschiedlichen Abstufungen. „In Sachen Vorbereitungszeit, Raum pro Kind, Ausbildung der Pädagoginnen und Pädagogen und vielen anderen Qualitätskriterien braucht es ein bundesweites Rahmengesetz, das in ganz Österreich gilt.“
Dies dürfe jedoch nicht dazu führen, dass Ressourcen nur noch mit der Gießkanne verteilt werden. „Die Herausforderungen unterscheiden sich von der Kleingemeinde zur Großstadt fundamental und daher braucht es ein flexibles und intelligentes, österreichweites Fördersystem, das sich an den jeweiligen Herausforderungen orientiert“, so Oxonitsch weiter.
Auch Othmar Karas, Präsident des Hilfswerk Österreich, spricht sich für einen grundlegende Reform samt nachhaltigem Finanzierungskonzept aus. Denn derzeit sei es aufgrund der geltenden 15a-Vereinbarung vom Finanzierungsmodell im jeweiligen Bundesland und noch viel stärker von der Finanzkraft der jeweiligen Gemeinde abhängig, ob eine Krabbelstube in einer Kommune tatsächlich geschaffen wird. „Die Politik muss einheitliche, am Wohl der Kinder orientiere Qualitätsstandards für den Elementarbereich definieren und Rahmenbedingungen schaffen, damit auch finanzschwache Kommunen und die dort lebenden Familien von der Weiterentwicklung des Bildungssystems profitieren. Nur so können alle Kinder unabhängig vom Wohnort faire Bildungschancen erhalten“, so Karas abschließend.
Über Auftrag Bildung. Trägerinitiative Kinderbetreuung
Private Träger gestalten in ihrer Funktion als Betreuungs- und Bildungsinstitutionen maßgeblich die Landschaft der Kinderbetreuung in Österreich mit. Die privaten Trägerorganisationen, die sich unter „Auftrag Bildung. Trägerinitiative Kinderbetreuung“ zusammengeschlossen haben, übernehmen tagtäglich für rund 83.000 Kinder Verantwortung. Zur Initiative gehören die bundesweit bzw. länderübergreifend tätigen Organisationen BÖE (Bundesverband österreichischer Elternverwalteter Kindergruppen), Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Kinderfreunde, St. Nikolausstiftung und Volkshilfe.
Ihr praktisches Know-how und fachliche Inputs möchte die Plattform gezielt auf Bundesebene einbringen, wenn etwa an der nachhaltigen Verbesserung der pädagogischen Qualität, stabilen Rahmenbedingungen sowie einer Neugestaltung des Fördersystems gearbeitet wird.