Auch im 21. Jahrhundert erbringen Frauen in Österreich zwei Drittel der privaten und noch viel mehr der professionellen Sorgearbeit. Haushalt, Kindererziehung, Pflege – alles, was neudeutsch als „Care-Arbeit“ bezeichnet wird – ist unverzichtbar für unsere Gesellschaft. Anlässlich des Equal Care Day 2025, am 1. März, macht das Hilfswerk darauf aufmerksam, dass die ungleiche Verteilung von Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern, auch als „Gender Care Gap“ bezeichnet, weder fair noch sinnvoll ist.
Frauen wenden im Durchschnitt fast 60 Prozent ihrer Gesamtarbeitszeit für unbezahlte Arbeit auf. Männer hingegen verbringen rund zwei Drittel ihrer Zeit mit Erwerbstätigkeit und nur rund ein Drittel mit unbezahlter Arbeit. Wenn Care-Arbeit ausgelagert wird, etwa an Kinderbetreuungseinrichtungen oder Pflegedienste, stellt sich die Geschlechterverteilung nicht besser dar, im Gegenteil. Denn in Care-Berufen wie in der Pädagogik oder in der Pflege dominieren Frauen als Arbeitnehmerinnen in überwältigendem Ausmaß.
„In den Pflegediensten liegt der Frauenanteil bei 87 Prozent, in der Kinderbetreuung sogar bei 97 Prozent. Würden alle Mitarbeiterinnen in Kinderbetreuungseinrichtungen sowie in der Pflege und Betreuung von kranken und alten Menschen ihre Arbeit niederlegen, wären in Österreich schlagartig 377.269 Kinder unbetreut und 159.000 pflegebedürftige Menschen unversorgt“, sagt Hilfswerk-Geschäftsführerin Elisabeth Anselm. „Würden alle Frauen ihre private oder berufliche Care-Arbeit quittieren, wären wir als Gesellschaft verloren, das Land stünde still“, meint Anselm.
Die Frauen gehen uns verloren …
Als Konsequenz der hohen Verantwortung für die Sorgearbeit in den Familien arbeiten Frauen oft in Teilzeit und unterbrechen ihre Erwerbsverläufe. Sie verdienen weniger und laufen Gefahr, in die Altersarmut zu kippen. Aber auch unsere gesamte Gesellschaft tappt hier in eine Falle: Gut ausgebildete weibliche Arbeitskräfte gehen dem ohnehin ausgedörrten Arbeitsmarkt ganz oder teilweise verloren. Dasselbe gilt für ihre Sozialversicherungsbeiträge und Steueraufkommen.
Auslöser der in Österreich besonders hohen Frauen-Teilzeitquote sind nachweislich Betreuungsverpflichtungen. So lag die Teilzeitquote der 25- bis 49-jährigen Frauen mit Kindern unter 15 Jahren Anno 2023 bei knapp drei von vier Frauen. Zum Vergleich: Nur jeder 13. Mann mit Kindern unter 15 Jahren arbeitete laut Statistik Austria in Teilzeit. Bei knapp der Hälfte der Paare mit Kindern unter 15 Jahren im selben Haushalt war 2023 der Mann auf Vollzeitbasis und die Frau auf Teilzeitbasis erwerbstätig, bei 16,5 Prozent war ausschließlich der Mann erwerbstätig.
Ein ähnliches Bild bietet sich bei der Versorgung von Pflegebedürftigen durch ihre Angehörigen: Rund 950.000 Menschen in Österreich widmen sich der Pflege und Unterstützung eines Familienmitgliedes oder einer/s Bekannten. Drei von vier dieser pflegenden Angehörigen sind Frauen, belegt die Studie „Angehörigenpflege in Österreich“ von 2018.
„Wir sollten uns nicht darauf verlassen, dass Frauen sich auch künftig mit dieser Ungleichverteilung der Care-Arbeit abfinden. Das wäre weder fair noch sinnvoll“, meint Hilfswerk-Geschäftsführerin Anselm. „Familien- und Lebensrealitäten verändern sich. Wir brauchen unbedingt bessere Bedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das heißt unter anderem mehr Angebote in der Kinderbetreuung, flächendeckend und flexibel. Und wir benötigen bessere Unterstützung und Entlastung bei der Pflege und Betreuung älterer Angehöriger, gerade wenn die Betroffenen zu Hause leben und dort versorgt werden“, fordert Anselm.
Die Männer fehlen in der Sorgearbeit
Es gibt eine Reihe von Studien, die belegen, dass sich viele Frauen allein gelassen oder zwischen ihren Aufgaben zerrissen fühlen, wenn sie anhaltend die Hauptlast für private Care-Arbeit tragen. Darunter leidet laut empirischen Befunden nicht selten auch das Familienleben. „Wir sehen das auch in unseren Einrichtungen und Diensten. Zumeist sind es die Frauen, die die Kinder bringen und holen oder Sprechstunden wahrnehmen. Und auch bei den pflegebedürftigen Menschen, die wir versorgen, sind es zumeist Frauen, die als Angehörige unsere Ansprechpartnerinnen sind, Wege und Formalitäten erledigen, Pflege und Betreuungsaufgaben wahrnehmen“, schildert Anselm.
„Natürlich wäre es schön, wenn Männer sich mehr in der Sorgearbeit einbrächten“, meint die Hilfswerk-Geschäftsführerin. „Ich meine das insbesondere auch im beruflichen Zusammenhang. Wir brauchen auf Grund des demografischen Wandels allein in der Pflege und Betreuung bis 2030 rund 51.100 Fachkräfte. Auch in der Kinderbetreuung gibt es eine Fülle offener und interessanter Stellen zu besetzen“, schildert Anselm. „Was Menschen in der beruflichen Sorgearbeit am dringendsten brauchen, sind mehr Kolleginnen und Kollegen! Uns sind Frauen und Männer gleich willkommen. Ob jung oder schon etwas älter, Auszubildender oder Quereinsteiger – fassen Sie sich als Mann ein Herz, haben Sie Mut, trauen Sie sich in die Sorgearbeit! Sie finden einen Job mit Zukunft und Sinn!“, wirbt Anselm für die Care-Branche.
Über das Hilfswerk
Das Hilfswerk ist mit seinen Landes- und Teilverbänden einer der größten gemeinnützigen Anbieter gesundheitlicher, sozialer und familiärer Dienste in Österreich. Als Arbeitgeber von rund 7.000 Pflegefachkräften kümmert sich das Hilfswerk laufend um mehr als 31.000 ältere und chronisch kranke Menschen. Damit ist das Hilfswerk in Österreich die Nr. 1 in der Pflege zu Hause. Zudem ist das Hilfswerk als Träger stationärer Einrichtungen für 20 Seniorenpensionen/-heime, 21 geriatrische Tages(struktur)zentren sowie 82 Einrichtungen des Betreuten Wohnens zuständig. Im elementarpädagogischen und außerschulischen Bereich betreuen rund 2.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hilfswerks ca. 20.500 Kinder und Jugendliche in mehr als 500 Einrichtungen. Der Frauenanteil unter den Mitarbeiter*innen des Hilfswerks beträgt rund 90 Prozent.
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