Die seit 1. August gültigen Verkehrsbeschränkungen für an COVID-erkrankte Menschen in Österreich stellen die BAG-Organisationen Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkshilfe vor enorme Herausforderungen.
„Nach mehr als zwei Jahren Erfahrung mit den Folgen der Pandemie halten wir - ähnlich wie viele Expertinnen und Experten - den Ersatz der Quarantänebestimmungen durch Verkehrsbeschränkungen für nicht sinnvoll. Nicht umsetzbar sind die getroffenen Regelungen vor allem im Pflege- und Betreuungsalltag. Das Gefährdungspotenzial des Virus ist nicht nur für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch für Kundinnen und Kunden zu groß“, stellt Erich Fenninger, der Direktor der derzeit den BAG-Vorsitz führenden Volkshilfe Österreich fest.
Schutz von Klientinnen/Klienten und Bewohnerinnen/Bewohnern hat oberste Priorität
Infizierte, symptomlose Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dürfen nun in der Langzeitpflege und -betreuung mit FFP2-Maske körpernahe Tätigkeiten verrichten. Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas Österreich hält diesen Richtungswechsel, der nun mit den Lockerungen ohne entsprechende Detailregelungen für die Langzeitpflege von der Bundesregierung initiiert wurde, für unverantwortlich: „Dadurch werden sehr vulnerable Gruppen nun einem hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt. Die Infektion mit COVID-19 ist eine anzeigepflichtige, schwere Erkrankung, gilt bei der AUVA als Berufserkrankung und kann Dauerschäden verursachen. Wir wollen und können das Risiko, dass sich Bewohnerinnen und Bewohner oder Klientinnen und Klienten infizieren, nicht eingehen. Und auch die gegenseitige Ansteckung von Kolleginnen und Kollegen können wir nicht verantworten.“
Dazu kommt noch, dass das korrekte Tragen der FFP2-Maske Voraussetzung für einen lt. Verordnung möglichen Berufseinsatz ist. Im Fall von körpernahen Dienstleistungen kann das allerdings nicht immer garantiert werden, da beispielsweise bei Durchnässen der Maske beim Duschen einer Klientin/eines Klienten der Schutz nicht mehr gegeben ist oder die Maske bei Klientinnen/Klienten mit einer Hörbeeinträchtigung zur besseren Verständigung abgenommen werden müsste. „Daher lehnen wir es ab, dass die Verantwortung und das Risiko einer Ansteckung von vulnerablen Personengruppen mit dieser Verordnung auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und in weiterer Folge auf die Dienstgeber abgewälzt wird“, hält der Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes Michael Opriesnig fest.
Haftungsfrage ist ungeklärt
Die BAG-Organisationen weisen auch darauf hin, dass die Haftungsfrage beim Einsatz von COVID-positiven Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern bei Klientinnen/Klienten derzeit ungeklärt ist. Elisabeth Anselm, Geschäftsführerin des Hilfswerk Österreich, dazu: „Die aktuelle rechtliche Lage würde zwar den Einsatz positiv getesteter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erlauben, es gibt aber keine Handhabe dafür, was passieren würde, wenn Klientinnen oder Klienten dadurch zu Schaden kämen. Wer haftet für etwaige Schäden?“ Offen ist laut BAG auch die Frage der Informationspflicht gegenüber den Klientinnen/Klienten betreffend den COVID-Status der Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern. „Wie stellt man sich das in der Praxis vor?“, fragt Anselm, und fordert: „Wir brauchen hier dringend praxistaugliche Antworten für unseren sensiblen Bereich.“
Wegfall des Kostenersatzes
Die Ausfallszeit der Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter (COVID-Quarantäne und Krankenstand) hat sich seit Beginn der COVID19-Krise im Jahr 2020 deutlich erhöht. Zum Teil mussten, zusätzlich zu nicht pandemiebedingten Krankenständen, Personalausfälle von mehr als 10% kompensiert werden. Neben den organisatorischen Herausforderungen wurden bislang zumindest die Personalkosten durch den Kostenersatz des Bundes übernommen. Der Wegfall dieses Kostenersatzes für Personalkosten trifft die Organisationen in der Langzeitpflege massiv, insbesondere nach den finanziell herausfordernden Jahren der Pandemie. „Für gemeinnützige Sozialorganisationen ist dieser Kostenersatz unerlässlich, da die Mittel sonst in der konkreten Pflege und Betreuung mit den Menschen fehlen“, sagt Martin Schenk, Stv. Direktor der Diakonie.
Abschließend appellieren die BAG-Organisationen Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkshilfe eindringlich an die verantwortlichen Bundesminister, durch klare, praxistaugliche Regelungen für die Sicherheit der Bewohnerinnen/Bewohner, Klientinnen/Klienten und Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter in der Langzeitpflege zu sorgen, die Haftungsfrage im Sinne der Dienstgeber möglichst rasch zu klären und die COVID-bedingten finanziellen Mehraufwände für nicht einsatzfähige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterhin abzugelten.