Abschiede gehören zu unserem Leben, und sie begegnen uns in unterschiedlichen Formen. Dabei sind sie nicht immer von Trauer und Verlust geprägt. Manchmal können sie auch eine Chance für einen Neubeginn bedeuten. Ob es der Abschied von einem geliebten
Menschen ist, der Übergang in eine neue Lebensphase oder der Start in einen neuen Job – jeder Abschied ist zugleich auch ein Schritt hin zu etwas Neuem.
In unserem Interview sprechen wir diesmal mit Mag. Dr. Veronika Steinhauser, Klinische- und Gesundheitspsychologin beim Hilfswerk Niederösterreich. Dabei werfen wir einen Blick darauf, wie sich Abschiede gestalten lassen, welche Rolle sie im Leben spielen und wie man sie positiv bewältigen kann.
Auch spielt der Faktor Zeit eine Rolle, Trauer und andere Emotionen brauchen Zeit.
Einblicke: „Frau Mag. Steinhauser, vielleicht beginnen wir ganz generell mit der Frage, was es denn eigentlich bedeutet, Abschied zu nehmen? Mit welchen unterschiedlichen Arten von Abschieden werden wir im Leben konfrontiert?“
Veronika Steinhauser: „Abschied zu nehmen bedeutet, sich von etwas zu trennen oder etwas zurückzulassen. Das können Menschen sein, Haustiere, Orte, Gegenstände, aber auch das Berufsleben oder Wünsche und Träume. Abschiede können unerwartet auftreten, wie beispielsweise ein plötzlicher Todesfall oder geplant sein, wie der Übertritt vom Kindergarten in die Volksschule oder vom Arbeitsleben in den Ruhestand. Außerdem kann es Abschiede für eine gewisse Zeit geben oder Abschiede für immer.“
Einblicke: „Welche emotionalen Reaktionen treten bei schmerzhaften im Vergleich zu freudigen Abschieden häufig auf?“
Veronika Steinhauser: „Schmerzhafte Abschiede lösen oft Trauer und Angst aus, ebenso können Wut oder Schuldgefühle auftreten. All das sind natürliche Reaktionen auf den
erlebten Verlust. Menschen trauern, weil sie in einem emotionalen Naheverhältnis zu jemandem oder etwas standen. Trauer kann auch als Zeichen der Liebe und Verbundenheit
verstanden werden. Der Verlust von Gewohnheiten, Beziehungen und Lebensumständen bedeutet oft auch den Verlust von Sicherheit. Ängste vor dem Unbekannten oder vor notwendigen Veränderungen können auftreten. Auch können mitunter Gefühle der Wut nach Verlusterlebnissen beobachtet werden, wie beispielsweise Wut, dass man zurückgelassen wurde. Bei freudigen Abschieden überwiegen häufig Aufregung, Vorfreude und Hoffnung auf das, was kommt, aber auch Unsicherheit und Angst vor dem Unbekannten. Auch freudige Abschiede können schmerzhaft sein.“
Einblicke: „Welche Strategien gibt es, um mit Trauer umzugehen und den Verlust zu verarbeiten? Wie können Menschen den Tod eines nahestehenden Menschen oder eines geliebten Haustiers bewältigen?
Veronika Steinhauser: „Wichtig für den Umgang und die Verarbeitung eines Verlusts ist es, die aufkommenden Emotionen zuzulassen und anzuerkennen. Gespräche mit einem unterstützenden Umfeld und Rituale können bei der Verarbeitung der Trauer unterstützen. Des Weiteren kann es hilfreich sein, ein Erinnerungsbuch mit Fotos zu gestalten sowie Gedanken und Gefühle aufzuschreiben, um die eigene Trauer einzuordnen und zu reflektieren. Auch spielt der Faktor Zeit eine Rolle. Trauer und andere Emotionen brauchen
Zeit. Geduld mit sich selbst zu haben, ist entscheidend. An sich selbst zu denken und sich selbst bewusst etwas Gutes zu tun, kann außerdem helfen.“
Einblicke: „Gibt es spezifische Methoden oder Techniken, um Abschiede besser zu bewältigen? Können Achtsamkeit, Therapie oder andere Ansätze helfen, und wenn ja, wie?“
Veronika Steinhauser: „Ja, es gibt verschiedene Methoden und Techniken, die helfen können, Abschiede besser zu bewältigen. Dabei ist es wichtig, in sich selbst hineinzufühlen, um herauszufinden, was in der eigenen, individuellen Situation unterstützend sein könnte. Achtsamkeit bedeutet, den gegenwärtigen Augenblick bewusst und wertfrei wahrzunehmen. Die Aufmerksamkeit wird auf den Moment gelenkt, ohne sich dabei ablenken zu lassen oder in Gedanken abzuschweifen. Achtsamkeit hilft bei der bewussten Wahrnehmung von Emotionen, ohne diese zu bewerten. Auch Atemübungen und Meditation können unterstützen, Stress abzubauen und zu einer inneren Ruhe zu finden. Eine weitere Möglichkeit, emotional belastende Situationen zu bewältigen, sind körperliche Aktivitäten, sei es ein Spaziergang an der frischen Luft oder das Auspowern im Fitnesscenter, durch die sich das körperliche Wohlbefinden steigern lässt. Wiederum andere Menschen betätigen sich künstlerisch, um ihren Gefühlen im kreativen Schaffen Ausdruck zu verleihen. Soziale Unterstützung ist in Situationen des Abschieds und der Trauer unverzichtbar. Der Austausch mit Freundinnen und Freunden en oder Familienmitgliedern, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben oder einfach nur zuhören, kann Trost bieten und das Gefühl der Isolation verringern. Bleibt der eigene Leidensdruck anhaltend groß oder fühlt man sich in der weiteren Lebensführung sehr eingeschränkt, kann eine therapeutische Aufarbeitung helfen, sei es in verschiedenen Beratungsangeboten, einer Einzel- oder Gruppentherapie.“
Einblicke: „Welche Rolle spielt das soziale Umfeld beim Umgang mit Abschieden? Wie können Freunde und Familie jemanden unterstützen, der einen schmerzhaften
Abschied erlebt?“
Veronika Steinhauser: „Das soziale Umfeld spielt bei der Thematik eine große Rolle. Menschen, die schmerzhafte Abschiede erleben, profitieren von anderen, die für sie da sind, indem sie anrufen, zuhören, ablenken, gemeinsam weinen und lachen und vieles mehr. All das ist für Betroffene unheimlich wichtig. Neben dem „emotionalen Auffangen“ kann das soziale Umfeld auch konkret helfen und anpacken, sei es beispielsweise bei der Organisation eines Begräbnisses oder einer Wohnungsauflösung infolge eines Umzugs.“
Einblicke: „Wie kann man sich auf unvermeidliche Abschiede im Leben besser vorbereiten? Gibt es präventive Ansätze, um den emotionalen Aufprall zu mindern?“
Veronika Steinhauser: „Abschiede und Veränderungen sind Teil des menschlichen Lebens. Eine gute Vorbereitung, eine bewusste Auseinandersetzung mit der Thematik sowie eine grundsätzlich positive Einstellung, die Veränderungen als Teil des Lebens akzeptiert, können helfen, mit unvorhersehbaren Abschieden gelassener umzugehen. Ein soziales Netz aufzubauen, auf das man im Fall von unerwarteten Abschieden zurückgreifen kann, ist von Vorteil. Auch können vorausschauend praktische Vorkehrungen wie finanzielle Vorsorgen oder die Regelung von rechtlichen Angelegenheiten getroffen werden und so ein Gefühl der Kontrolle und Sicherheit geben.“
Einblicke: „Wie können Eltern mit dem sogenannten „Empty-Nest-Syndrom“ umgehen? Welche psychologischen Herausforderungen treten auf, wenn Kinder aus dem Haus ausziehen?“
Veronika Steinhauser: "Unter „Empty Nest Syndrom“ werden die Herausforderungen zusammengefasst, die Eltern erleben, wenn die eigenen Kinder das Zuhause verlassen, um eigenständig zu leben. Gefühle der Traurigkeit, der Einsamkeit oder des Verlusts können auftreten. Manche Eltern machen sich Sorgen um das Wohlergehen ihrer Kinder, wenn diese nicht mehr zu Hause leben. Der Auszug der Kinder bedeutet auch, die eigene elterliche Rolle sowie die Partnerschaft neu zu definieren. Gemeinsame Interessen können
neu- oder wiederentdeckt werden."
Während Abschiede oft von Schmerz und Verlustgefühlen begleitet werden, gibt es auch Übergänge im Leben, die freudiger Natur sind und als positiver Neuanfang empfunden werden. Solche Abschiede, etwa der Wechsel von einem alten Lebensabschnitt zu einem neuen, bieten die Chance, Altes loszulassen und sich auf neue Erfahrungen und Möglichkeiten zu freuen. Ob es der Start in einen neuen Job, ein Umzug in eine fremde Stadt oder das Erwachsenwerden der eigenen Kinder ist. Diese Übergänge erfor-dern sowohl Mut als auch Offenheit für das Unbekannte. Gleichzeitig bieten sie die Gelegenheit, neue Ziele zu setzen, sich weiterzuentwickeln und den nächsten Lebensabschnitt aktiv zu gestalten.
Einblicke: „Wie können Menschen den Abschied von einem alten Lebensabschnitt als positiven Neuanfang gestalten?“
Veronika Steinhauser: „Das Setzen von klaren, positiv formulierten Zielen für die nun anstehende Lebensphase kann die Vorfreude steigern und den Fokus darauflegen, über neue Chancen und Möglichkeiten nachzudenken. Ein Abschiedsritual wie ein Fest oder eine Zeremonie würdigt den vergangenen Lebensabschnitt und markiert den Übergang zu einer neuen Lebensphase. Dabei ist es nützlich, sich bewusst Zeit zu nehmen, um über den nun zu Ende gehenden Lebensabschnitt zu reflektieren und Worte der Dankbarkeit für die positiven Erfahrungen zu formulieren. Eine prinzipiell vorhandene Offenheit für neue Erfahrungen und Neugierverhalten erleichtern den Neuanfang.“
Einblicke: „Was kann man Menschen raten, die beispielsweise vor einem Jobwechsel oder einem Umzug in ein anderes Land stehen?“
Veronika Steinhauser: „Stehen Menschen vor einem Jobwechsel oder einem Umzug in ein anderes Land, kann das sowohl aufregend als auch herausfordernd sein. Eine gründliche Vorbereitung ist entscheidend, um diesen Übergang erfolgreich zu gestalten. Informationen über die neue Arbeitsstelle oder das neue Land zu sammeln, stehen an erster Stelle. Neben der sorgfältigen Planung von praktischen Aspekten, wie der Wohnsituation, finanziellen Rahmenbedingungen, Arbeitsgenehmigungen, notwendigen Dokumenten usw., sollte der Fokus auch auf emotionale Aspekte gerichtet werden. ‚Bin ich offen und bereit für Veränderungen und neue Erfahrungen?‛, ‚Welche Ziele verfolge ich?‛, ‚Stehe ich dem Neuanfang positiv gegenüber?‛,‚Was kann mir beim Aufbau eines sozialen Netzes helfen?‛,
‚Welche kulturellen Besonderheiten gilt es zu beachten?‛ Das sind ein paar von vielen möglichen Fragen, die man sich vorweg stellen sollte.“
Einblicke: „Welche Rolle spielt die Vorfreude bei freudigen Abschieden und wie kann man sie stärken?“
Veronika Steinhauser: „Die Vorfreude spielt eine entscheidende Rolle bei freudigen Abschieden, da sie den emotionalen Fokus von dem, was zurückgelassen wird, auf das, was kommt, lenkt. Sie hilft dabei, die Abschiedssituation positiv zu gestalten und den Übergang in eine neue Lebensphase als aufregend und bereichernd zu empfinden. Durch das Formulieren von Zielen und das Fokussieren auf diese kann die Vorfreude gestärkt werden. Gespräche mit Menschen, die ähnliche Übergänge erlebt haben, können inspirieren, die Vorfreude erhöhen und vorhandene Ängste reduzieren.“
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