Am 4. August 2023 ist es drei Jahre her, dass die Sprengkraft von 1.100 Tonnen TNT-Äquivalente Libanons Hauptstadt Beirut erschütterte. Die Explosion am Hafen der libanesischen Hauptstadt zerstörte große Teile der Stadt, die Stoßwelle war im gesamten Land zu spüren. Mehr als 6.500 Menschen wurden verletzt, rund 300.000 verloren ihr Zuhause und 207 Menschen verloren ihr Leben. Unter den Opfern war auch Mohammed.
Kajan will Gerechtigkeit
Mohammed war 48 Jahre alt, als er durch die Explosion am Hafen Beiruts ums Leben kam. Er arbeitete am Hafen, die Explosion hat ihn sofort in den Tod gerissen. Er hinterlässt zwei Kinder und eine Frau. Und seinen Bruder Kajan, der sich seit dem Tod seines Bruders für Gerechtigkeit einsetzt: Denn heute, drei Jahre später, wurde die Explosion immer noch nicht aufgearbeitet, niemand wurde zur Rechenschaft gezogen. „Meine ganze Familie trauert. Aber es passiert nichts. Opfer werden nicht entschädigt. Wer kein Geld hat, lebt heute noch in Trümmern. Wir sind der Politik egal. Wenn ich mich nicht für Gerechtigkeit einsetze, dann passiert so etwas vielleicht wieder. Und dieses vermeidbare Leid wünsche ich niemandem“, so Kajan.
Kollektiver Schmerz
Mireille Karaky, Leiterin vom Hilfswerk International im Libanon, ergänzt: „Wir sind im Libanon einiges gewöhnt. Wir sind unglaublich resilient, wahrscheinlich zu resilient. Aber die Tragödie vom 4. August steckt sehr tief in uns allen in diesem Land. Es ist wie ein kollektiver Schmerz. Und es ist bitter, dass wir weiterleben müssen, als wäre nichts passiert, denn zu jedem Zeitpunkt steht die nächste Krise vor der Türe.“
Verschwundene Mittelschicht
Die Explosion am Hafen traf den Libanon mitten in der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise. Neben den menschlichen Verlusten sorgt die Zerstörung von Infrastruktur und den wirtschaftlichen Grundlagen für vielschichtige Probleme, mit denen das Land heute noch kämpft. Der Hafen ist Stand jetzt, drei Jahre nach der Explosion, immer noch nicht gänzlich in Betrieb.
Die Preise für Alltägliches wie Nahrungsmittel haben sich seit 2020 ver-25-facht. Ein Laib Brot, der vor drei Jahren noch umgerechnet zwei Euro gekostet hat, kostet heute de facto 50 Euro. Gleichzeitig verdient ein Lehrer, der vor drei Jahren umgerechnet ein Monatsgehalt von 2.000 EUR bezogen hat, heute nur mehr 80 Euro. Die Folge ist, dass der Mittelstand komplett weggebrochen ist.
Diese Hyperinflation lässt die Mittelschicht komplett wegbrechen, inzwischen leben 80 % der Bevölkerung in Armut. Hoffnung gibt es kaum noch. Davor schon einkommensschwache Menschen, wie zum Beispiel die großen syrischen und palästinensischen Flüchtlinge, spüren die derzeitige Krise besonders schlimm.
Nothilfe auf Augenhöhe
Die österreichische Organisation Hilfswerk International leistet seit 2006 Entwicklungszusammenarbeit und Katastrophenhilfe im Libanon. Direkt nach der Explosionskatastrophe startete das Hilfswerk Internation ein Projekt, um die humanitäre Krise zu überwinden und die Lebensgrundlagen der Familien sicherzustellen: Akut arbeitslos gewordene Personen im Gesundheits- und Sozialbereich wurden gestärkt, indem sie die durch ihre Qualifikationen bedürftige Familien in der Krise unterstützen und beim Wiederaufbau Beiruts helfen können. Das gibt den Menschen nicht nur ein Einkommen, sondern stellt auch die Betreuung sozial schwacher, kranker und akut hilfsbedürftiger Menschen in der Krisenzeit sicher.
Mit diesem Ansatz werden befristete Beschäftigungsmöglichkeiten für schutzbedürftige Fachkräfte geschaffen, die im Gegenzug anderen Familien unter die Arme greifen.
Vielschichtige Probleme, vielschichtige Lösungen
Auch über die Nothilfe nach der Explosion in Beirut hinaus ist das Hilfswerk International im Libanon im Einsatz. So etwa im Bekaa-Tal an der syrischen Grenze, wo sich unzählige inoffizielle Flüchtlingscamps gebildet haben. Die meisten syrischen Familien im Bekaa-Tal leben seit dem Beginn des Krieges in Syrien 2011 in Zelten. Das bedeutet für die Flüchtlinge 12 Jahre lang kein festes Dach über dem Kopf, kein eigenes Einkommen und verheerende medizinische Betreuung. Vor allem für Kinder und schwangere Frauen ist das fatal. Das Hilfswerk International unterstützt eine Klinik, die kostenlose medizinische und psychologische Betreuung für Frauen und Kinder in Bekaa anbietet.
Im innovativen Hilfswerk International Projekt „die gute Seife“ produzieren besonders einkommensschwache libanesische und syrische Frauen handgemachte, reine Olivenölseife. Diese wird in Österreich verkauft und gibt Frauen im Libanon Einkommen, Eigenständigkeit und Hoffnung. Nähere Informationen gibt es unter www.dieguteseife.at
„Die Hilfswerk International Projekte im Libanon ermöglichen Überleben, Gesundheit und Einkommen. Danke an alle Österreicherinnen und Österreicher, die den Menschen in unserem Land helfen“, fasst Karaky zusammen.
Interview-Angebot
Der Hilfswerk International Geschäftsführer Mag. Stefan Fritz ist regelmäßig bei den Projekten im Libanon und steht Medienvertreter*innen gerne für ein telefonisches Interview zur aktuellen Situation im Libanon zur Verfügung. Zur Koordination dafür melden Sie sich bitte an bianca.weissel@hilfswerk-international.at oder 0676/878760110
Das Hilfswerk International
Das Hilfswerk International ist eine österreichische und weltweit tätige Hilfsorganisation mit Hauptsitz in Wien. Sie wurde im Jahr 1978 mit dem Ziel gegründet, Nothilfeprojekte und nachhaltige Entwicklungsprojekte in Afrika, Zentralasien, Osteuropa, Lateinamerika, dem Nahen Osten, Süd- und Südostasien und Südosteuropa durchzuführen. Mit insgesamt mehr als 124 Mitarbeiter*innen in 18 Ländern werden in enger Zusammenarbeit mit örtlichen Teams sowie lokalen zivilgesellschaftlichen Organisationen Projekte in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Soziales und Landwirtschaft initiiert. Im Fokus steht die strukturelle Armutsbekämpfung durch die Förderung von wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung. Dabei liegt der Schwerpunkt der Arbeit des Hilfswerk International auf der Unterstützung der am stärksten von Armut und Ausgrenzung gefährdeten Bevölkerungsgruppen wie Frauen, Kinder, ältere Personen und ethnische Minderheiten.
Die gemeinnützige, überparteiliche und überkonfessionelle Organisation agiert selbstständig unter dem Dach der österreichischen Hilfswerk-Familie. Finanziert werden die Projekte durch nationale und internationale Projektfonds für Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe sowie über private Spenden, Corporate-Social-Responsibility-Partnerschaften und Sponsoring. Weitere Informationen finden Sie unter: https://www.hilfswerk.at/international/